Wenn in Tirol die Berge endlich die Mäntel des Hermelins abgeworfen haben, zeigt sich wieder alles grün. Dann ist es für die Bauern Zeit, rasch zu handeln, denn der Sommer ist kurz. Einer von ihnen scheint verrückt, weil er auf den Bergen Zucchini anbaut. Doch er weiß, was er tut. Immer. Tobias Moretti gehört nicht nur zu den beliebtesten Schauspielern Österreichs, er hat als zertifizierter Landwirt auch ein Gespür für die Natur. Das ist der Grund, warum ihn GENUSS.Redakteurin Gabriele Burian besucht hat.
Der Bergbauernhof der Morettis schmiegt sich so vertraut an den Omesberg, als wäre er schon immer da gewesen, doch er fügt sich erst seit 400 Jahren in die umgebende Landschaft von Ranggen nahe Innsbruck. Als ich bei der Ankunft vor der Haustür den Blick aus 1.000 Metern Höhe schweifen lasse, wird er ruhig beim Gleiten über die Wiesenhügel und Waldwipfel, über das Inntal und das Alpenpanorama dahinter. Rasch merke ich beim Durchatmen, wie würzig die Luft hier oben ist. Da öffnet sich neben der Sonnenuhr an der Hauswand die Türe, noch bevor mich Tobias Moretti begrüßen kann, schmiegt sich ein freundlich wedelnder Hund an meine Knie. „Wie heißt er?“ „Puck.“ „Wie der Koch?“ „Nein, wie der Narr bei Shakespeare im Sommernachtstraum.“ Wir gehen in den Stall, der ist ein großer Raum mit Säulen und etlichen herumliegenden Heuhaufen, zwischen denen Kühe mit ihren Kälbern stehen, liegen, dösen. Angebunden ist keines der Tiere. Die Tür nach draußen steht weit offen, es duftet heimelig. Während mich die Kälber neugierig beäugen, bewundere ich ihr seidig glänzendes Fell und ihre großen tiefdunklen Augen. Kühe? Tux-Zillertaler Rinder sind es, eine rar gewordene Rasse, die früher auf den Tiroler Almen verbreitet war. „In Indien heißt es: Bevor du eine Kuh schlachten willst, schau ihr drei Minuten in die Augen“, sage ich. Moretti meint dazu trocken: „Das ist eine Drei-Nutzungsrasse, also für Milch, Fleisch und Zucht, natürlich schlachten wir die Tiere auch.“ Ihr Fleisch ist außergewöhnlich gut, denn die Morettis haben 2016 den Eckart Witzigmann Ehrenpreis auch für dieses Rindfleisch erhalten, da es aufgrund besonders feiner Fasern und guter Marmorierung exzellent schmeckt.
Zupacken für klare Werte
In der wohnlichen Küche bittet mich Julia Moretti, die übrigens eine ausgezeichnete Oboistin ist, an den Tisch. Gemeinsam mit Tobias geraten wir ohne Umschweife in ein Gespräch über Landwirtschaft in Österreich, über die Bedeutung von Kreisläufen und kleinen Strukturen. Die Werte der beiden sind bald klar: Klasse statt Masse, landwirtschaftliche Produkte müssen ihre Herkunft repräsentieren, biologisch und nachhaltig erzeugt und von erster Qualität sein. „Wenn die Menschen unserer Gesellschaft die Natur und deren Erhaltung mehr respektieren sollen, ist für diesen Wandel aktive Mitgestaltung notwendig.“ Dafür packen Julia und Tobias nicht nur zu, sondern setzen auch ihren Kunstsinn, Gefühl und Verstand ein.
Während ich in kleinen Schlucken Tee aus Kräutern der umliegenden Wiesen genieße, erzählt Julia, warum sie sich intensiv mit Kräutern und deren Heilwirkung befasst. „Ich habe die Kühe auf der Wiese genau beobachtet und geschaut, welche Kräuter sie fressen. Und ich habe mich sehr bald gefragt: Wie muss man eine Wiese behandeln, damit sie sich selbst erhält? Wann darf man sie mähen, damit ihre Biodiversität erhalten bleibt?“ Wir machen einen Rundgang ums Haus, vorbei am Spalier-Marillenbaum, an Apfel- und Birnbäumen alter Sorten, durch die ungemähten Wiesen, zupfen da und dort ein Blättchen ab und beißen darauf herum, während Julia Erkennungsmerkmale und die gesundheitsfördernde Wirkung der Kräuter erklärt. Was für die Kühe gut ist, ist auch für die Küche gut: Giersch, Spitzwegerich, Alpenthymian, Mädesüß ... Sie zeigt mir den hölzernen Kasten, eine Trockenanlage, in dem die von ihr gesammelten Bergkräuter schonend getrocknet werden, damit die wertvollen Inhaltsstoffe erhalten bleiben. Sie wandern dann in mit feinsinnigem Geschmack komponierte Tee- oder Salzmischungen, die mit viel Liebe zum Detail in kleine Papiersackerl verpackt werden. „Omesberger Heilkräuter“ steht auf den Etiketten, und jeweils ein klangvoller Eigenname wie „Lebentiger“, „Paradiesapfel“ oder „Herzl-kumm-oba“. Apropos Inhaltsstoffe: Wie jedermann weiß, sind Pflanzen im Gebirge kleinwüchsiger, Kräuter schmecken aromatischer und intensiver. „Gilt das auch für die Zucchini, die ihr anbaut?“ „Natürlich!“, bestätigt Tobias und lädt mich zu einer Rundfahrt ein, um mir die Felder zu zeigen, auf denen die Bergzucchini biologisch angebaut werden.
Große Blüten, kleine Zucchini
Im Auto sitzend erklärt er mir: „Guter Boden, gute Frucht! Abwechselnde Fruchtfolge ist wichtig, um die Böden nicht auszulaugen, wir bauen zwischenzeitlich Raps an und pflügen ihn unter.“ Auch selbst erzeugter Kompost und Kuhmist aus dem eigenen Stall werden wohldosiert ausgebracht und sorgen für eine Aufbesserung des Bodens. „Wir verwenden keine Hybridsamen, sondern ungebeiztes Bio-Saatgut. In einem regenreichen Frühjahr kann es schon sein, dass wir ein, zwei Mal nachsäen müssen. Schau, die blühenden Wiesen ziehen viele Bienen an. Wenn die Zucchinipflanzen blühen, profitieren sie davon. Die großen gelben Blüten der Zucchini üben eine erotische Anziehungskraft auf die Bienen aus.“ Ich fange an zu rechnen: Eine Biene ist etwa zwei Zentimeter groß, der Durchmesser einer Zucchiniblüte beträgt etwa 20 Zentimeter. Ich übertrage das Verhältnis auf meine Körpergröße und stelle mir vor, wie ich in einem 17 Meter großen, satt gelben Blütentrichter stehe, dessen Duft mich einlullt. Mir wird schwindlig bei diesem Gedanken.
„Wenn die Zucchini dann ungefähr 14 bis 17 Zentimeter groß sind, ernten wir.“ „Das ist aber eher klein als groß?!“ „Wir wollen unsere Bergzucchini so: klein, zart und fest. Dann schmecken sie viel besser.“ „Und wie lange dauert die Zucchinisaison bei euch, in dieser Höhenlage?“ „Naja, je nach Wetter von Mitte Juni bis Mitte September.“ Wieder zurück auf dem Hof zeigt mir Tobias Moretti den Raum, wo die Zucchini aussortiert werden, bevor sie in Steigen verpackt werden und auf Paletten ihre Reise zu den Wiederverkäufern antreten. Fotos hängen an den Wänden, auf denen Zucchini mit kaum zu erkennenden Fehlern zu sehen sind: Kratzer, Punkte, Dellen. „Die Fotos sind für unsere Erntehelfer. Nur die makellosen werden verkauft.“ „An wen?“ „An SPAR-Gourmet in Westösterreich, neuerdings an Wedl Tirol und demnächst auch an Metro.“ „Und die nicht ganz makellosen?“ „Was wir nicht selbst verwerten können, verschenken wir an soziale Einrichtungen.“
Geschmacksfragen
Noch einmal sitzen wir am Küchentisch und sprechen über den Geschmack der zarten Bergzucchini. „Julia legt sie am liebsten in Olivenöl und Essig mit einem Hauch Chili ein, probier mal!“ Obwohl ich in verschiedensten Gourmettempeln zwischen Hongkong und Paris gespeist habe, habe ich solche Zucchini noch nie gegessen. Der Geschmack erinnert an süßsaure Essiggurkerl, die Konsistenz der fein nudelig geschnittenen Zucchini ist sanft knackig und gleicht eher der von Alici, jenen kleinen leicht säuerlich marinierten Sardellenfilets, die die Italiener so lieben, als der von Gemüse. Eine echte Edelkonserve! „Das Rezept?“ „Ist geheim!“ Ein zarter Nebelschleier senkt sich vom Omesberg herab, als ich abreise.
(Ein Artikel aus dem GENUSS.Magazin 06/2019, Printausgabe.)
GENUSS.Info
Die Aussaat von Zucchini erfolgt am besten von Mitte April bis in die zweite Maihälfte. In Italien ist das Gemüse so beliebt, dass man am 7. Mai den Tag der Zucchini (giorno dello zucchetto) begeht. Bis zur Keimung vergehen etwa zehn Tage, jede Pflanze braucht etwa 1,5 Quadratmeter Platz.
Am besten erntet man das Gemüse bei einem Gewicht von bis zu 300 Gramm. Lässt man die Zucchini wachsen, können sie mehrere Kilo schwer werden und sind dann wie Kürbisse zu verarbeiten und lagerfähig.
Ob roh, gekocht, gegrillt oder gebraten – Zucchini sind kalorienarm, vitaminreich und leicht verdaulich.
Bittere Zucchini sollte man auf jeden Fall wegwerfen! Sie enthalten den giftigen Wirkstoff Cucurbitacin, der zunächst Magenkrämpfe, dann Übelkeit und Erbrechen hervorruft. Erwischt man zu viel davon, kann der Giftstoff sogar tödlich sein. Besonders gefährdet sind kleine Kinder und ältere Personen, die den Bittergeschmack oft nicht mehr so intensiv wahrnehmen. Dasselbe gilt übrigens auch für Gurken, Melonen und Kürbisse – allesamt aus der Familie der Kürbisgewächse.
Zucchini sollte man nicht aus selbst gewonnenem Saatgut ziehen, sonst wächst die Wahrscheinlichkeit, dass das Gemüse Cucurbitacin enthält. Man sollte zudem keine Zierkürbisse in die Nähe pflanzen, um eine Rückkreuzung durch Pollenübertragung zu vermeiden. Auch Stresssituationen für die Pflanze können die Produktion von Cucurbitacin hervorrufen.