Einst Klassiker der Wurstküche, heute schon fast unter der Theke gehandelter Geheimtipp: Die würzig-fettige Speckwurst findet man kaum im Supermarkt, dafür aber in vielen köstlichen Varianten bei so manchem Fleischer ums Eck.
Unsere Jury hat sich durch 19 fein- und grob-gewürfelte Exemplare gekostet und dabei erstaunliche Geschmacksvielfalt gefunden. Die österreichische oder Wiener Speckwurst mit ihrem terrazzoartigen Schnittbild und knackigem Inhalt ist seit den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts schriftlich präzise festgehalten, man darf aber annehmen, dass sie in ganz ähnlicher Weise schon viel länger produziert wird. Regional gilt manchen auch etwas ganz anderes als Speckwurst: Vor allem in Salzburg und Oberösterreich gibt es eine Brät- Speckwurst, die einer Knacker mit Speckwürferln ähnelt. Sie kommt im Gegensatz zur rustikal-stückigen Version üblicherweise warm auf den Tisch und war nicht Gegenstand dieser Verkostung. Die lange Tradition der Speckwurst als Fleischwurst hat indes auch zu einer deutlichen Ausprägung unterschiedlicher Varianten geführt. Es gibt sie in dünner oder dicker Hülle, mit mehr oder weniger sichtbarer Fleischeinlage, im Kranz oder als Stange. Allen gemeinsam ist die Definition des Lebensmittelbuchs, welche die Eckdaten der runden Wurst vorgibt.
Wie der Name schon vermuten lässt, ist Speck Hauptbestandteil und Geschmacksgeber der selten gewordenen Vertreterin der Fleischwürste. 75 Prozent der Wurstmasse müssen laut Lebensmittelbuch aus schweinernem Rückenspeck oder dem Göderl, also zartem Wangenspeck, bestehen. Die restlichen 25 Prozent gehören dem Brät, das wiederum zu zwei Dritteln aus Fleisch von Schwein oder Rind und zu einem Drittel aus Wasser oder Eis zubereitet wird. Auch die Zugabe von bis zu drei Prozent Erdäpfelstärke für den Zusammenhalt ist erlaubt, wird aber heute nur noch selten angewendet. Vorwiegend im Voralpenraum gibt es außerdem noch die Variante der Speck-Polnischen, bei der nicht nur der Speck, sondern auch die Fleischeinlage in mehr oder weniger großen Stücken erhalten bleibt. Ob fleisch-stückig oder brätlastig: Die so entstandene Mischung wird individuell, aber üblicherweise kräftig rustikal gewürzt. Im Osten übernimmt dabei der Paprika meist die Hauptrolle. Edelsüß und/oder scharf verleiht er der Speckwurst nicht nur die vertraute Geschmacksnote, sondern macht sich auch optisch in orange- rötlichen Schattierungen bemerkbar. Die Speck-Polnische kommt dabei häufig mit weniger Paprika aus als die klassische Speckwurst. Ebenfalls unverzichtbar ist der Knoblauch, der sich ganz nach Herstellergeschmack als zarte Andeutung oder auch als kräftige Ergänzung zeigen kann. Ein spürbares Pfefferl begleitete dagegen nicht alle Kandidaten, wurde aber dort, wo es auftauchte, durchaus gern gesehen. Kümmel und Koriander wurden häufig, aber nicht durchgehend erschmeckt. Die gut gewürzte Masse wird in Natur- oder luftdurchlässigen Kunstdarm gefüllt, mehr oder weniger sanft geräuchert und anschließend gebrüht. Danach darf sie, je nach Art des Hauses, mehr oder wenigerlange abtrocknen, bevor sie in knackig speckigen Scheibchen auf dem Brot landet. Die meisten Kandidaten für unsere Verkostung haben wir in Ostösterreich gefunden, wo die Speckwurst auch traditionell zu Hause ist.
Jury: Ran an den Speck!
Speckwürste und Jury trafen im Kochstudio essen:z im sechsten Wiener Bezirk aufeinander. Neugierig am Verkostungstisch saßen Fleischtechnologin DI Barbara Winkler, Kulturanthropologe Dr. Lucas-Michael Kopecky, Tierernährungsexperte Prof. Wolfgang Wetscherek, der Informatiker Mag. Markus Reger, der Bierspezialist und Braumeister Bernd Kistler, Braumeister beim Wiener Wieden Bräu, Andreas Söllner, Fleischermeister in Ruhe und singender Schauspieler, und Dr. Wolfgang Mayerhofer, Fleischermeister und Innungsmeister-Stellvertreter in Wien. Fleisch-Chefredakteur Johannes Rotten-steiner erklärte prägnant Inhalt, Geschichte und Varianten der Speckwurst und den sensorischen Zugang. Denn auch wenn der Geschmack das ultimative Kapital der Wurst ist, sind Geruch, Aussehen und Konsistenz nicht unerheblich für den Gesamteindruck. Danach hieß es für die Verkoster „ran an den Speck”, und nach ausführlichem Beriechen, Betasten, Erschmecken und intensiven Diskussionen zu den inneren Werten der Wurst wurde der Sieger gekürt. Am besten mundete unseren Verkostern die Speckwurst aus der Fleischerei Hausenberger in Vösendorf. Sie überzeugte bereits optisch mit ideal marmoriertem Anschnitt und strahlendweißen Speckwürferln und punktete in Mund und Nase mit feinem Bratenduft, kernigem Biss und stimmigrunder Knoblauch-Paprika-Würzung. Platz zwei ging nach Langenlois. Die Speckwurst aus der Fleischerei Graf erfreute dieVerkoster-Gaumen mit kernig-festem Speck, viel Fleischeinlage und einem zarten Räucheraroma in Verbindung mit fein abgestimmter Würzung. Den dritten Platz am Stockerl teilten sich gleich drei Kandidaten. Die Speckwurst von Moser in Wieselburg zeigte ein malerisches Schnittbild bei kernigem Biss, im Geschmack kräftigen Paprika mit begleitenden Kümmel- und Knoblauchnoten. Das Exponat von Martin Nötsch aus Puchberg am Schneeberg punktete mit verlockendem Braten- und Paprikaduft, knackigem Speck und einer gut abgestimmten Würznote aus Knoblauch, Paprika und Koriander mit leichter Räuchernote. Die Wurst von Fritz Ettl aus Obergrafendorf brachte gutfleischigen Duft in die Nase und ergänzte in der Würzung die Paprika-Knoblauchnote mit einem feinen Pfefferl und dezentem Rauch. Letztere war auch die Speckpolnische unter den Spitzenprodukten. Auch jenseits der Top Drei tummelt sich einiges Schmeckenswertes, da die Individualität der Wurst viel Spielraum für eigene Vorlieben lässt. Klein gewürfelt oder groß gestückt, lieber kräftig gewürzt oder den guten Speckgeschmack im Vordergrund, das ist letztlich die Entscheidung des rustikalen Genießers. Unter den Kandidaten, die es nicht in die Top Zwölf geschafft haben, wurden am häufigsten zu weicher oder ungleichmäßiger Speck, künstlich anmutende Würznoten oder zu flachsige Einlagen bemängelt.
Die Top 12
1 Fleischerei Hausenberger (NÖ; 4,5 Punkte) Schön marmorierter Anschnitt, weiße Speckwürfel, feiner Bratenduft, kerniger Biss, angenehmer Knoblauch und Paprika, im Gesamten äußerst stimmig.
2 Fleischerei Graf (Langenlois, NÖ; 4,4 Punkte) Kerniger Biss, Speck fest, viel Fleischeinlage, gut abgelagert, feines Räucheraroma, gute Textur, fein abgestimmte Würzung.
3 Martin Nötsch (Puchberg am Schneeberg, NÖ; 4,2 Punkte) Braten- und Paprikaduft, gute Textur, guter knackiger Speck, leichte Knoblauchnote, Paprika, Koriander, gut abgestimmt, fein-rauchiger Abgang.
3 Ing. Hans Moser (Wieselburg, NÖ; 4,2 Punkte) Schönes Schnittbild, kerniger Biss, Duft und Geschmack paprikabetont mit Kümmel und Knoblauchnote, angenehme Schärfe.
3 Fritz Ettl (Obergrafendorf, NÖ; 4,2 Punkte) Fleischiger Duft, gut abgerundete Würzung mit Paprika-, Pfeffer- und Knoblauchnoten, dezentes Raucharoma, gut abgetrocknet, kräftig kerniger Biss.
6 Wolfgang Mossegger (Klagenfurt, Ktn; 4,0 Punkte) Angenehm starker Bratengeruch, deutlich kerniger Biss, kräftiger Knoblauch, schöne Fleisch- und Fettstücke in stimmiger Verteilung.
7 Karl Turza (Ilz, Stmk; 3,7 Punkte) Feste, frische Textur, kräftiger Paprika in Geruch und Geschmack, feine Schärfe, dezente Knoblauchnote, sehr guter Speck.
8 Johannes Hochhauser (Pichl/Wels, OÖ; 3,6 Punkte) Wenig abgetrocknet, gut papriziertes Brät, kleine strahlendweiße Speckstücke, am Gaumen feine Knoblauch-Paprika-Note.
8 Max Pachinger (Arbing, OÖ; 3,6 Punkte) Fester Griff, kerniger Biss, angenehmer Rauch, Paprika, Knoblauch und Wacholdernote gut ausgewogen, knackiger Speck, hoher Fleischanteil.
10 Stefan Windisch Bauernspeckwurst (Hersteller: Merkur; 3,4 Punkte) Stark papriziert, wenig Brät, viel Speck, kernig, rauchig, kräftige Würze mit pfeffrigem Abgang, Biss abwechslungsreich.
11 Josef Bauer (1180 Wien; 3,3 Punkte) Fester Griff, angenehm würziger Duft, weich im Biss, Knoblauch und Pfeffer am Gaumen, kräftige Schärfe im Brät.
12 Franz Hofmann (Hollabrunn, NÖ; 3,1 Punkte) Schön verteiltes grobes Speckbild, kräftig paprikarot, kerniger Biss, Geschmack etwas zu paprikalastig.