„To beef or not to beef“

Ein Artikel von Gerd Wolfgang Sievers | 14.12.2015 - 15:03
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Nicht nur die Ikonen wie Currywurst, Buletten, Döner-Kebab oder Eisbein (dieses isst man stilecht am besten im alt-ehrwürdigen Gasthaus Zur letzten Instanz geben ein Zeugnis davon ab, sondern auch die vielen Lokale und Restaurants, die sich auf Steaks und Grillgerichte aller Art spezialisiert haben und diese zum Teil in sensationeller Qualität anbieten. Vor allem Steaks, Burger & Co. kann man in Berlin in selten guten Varianten genießen, aber natürlich auch alle Formen von orientalischen Grillgerichten (vor allem Kebab) und diverse Exoten. Berlin wäre nicht Berlin, wenn es nicht gerade für die Individualisten unter den Fleischtigern viele unterschiedliche Refugien zu bieten hätte.

Von exklusiven Grill-Nobel- Restaurants (wo die Rechnung für edelste Steaks mitunter höher ausfallen kann, als für ein mehrgängiges Hauben- Menü), über amerikanisch inspirierte Fleischtempel bis hin zu Fleischereien, wo man direkt vor Ort ein gutes Stück „Kurzgebratenes“ genießen kann, gibt es fast alles, was sich der Fleisch-Aficionado nur erträumen kann. Das Fleisch ist in allen ambitionierten Fleischlokalen Berlins – hier sei mal der Öko-Bewegung Dank ausgesprochen! – durchwegs und fast immer aus artgerechter Tierhaltung, Freilandhaltung und sogar von Bio-Qualität; wobei es keinen Unterschied macht, ob das Tier von den Wiesen und Weiden des nahegelegenen Brandenburger Umlandes, aus Pommern, von den Salzweiden und Deichen Schleswig Holsteins oder aus Übersee stammt.

Hier meine persönlichen Favoriten: Schon fast zu einem Fixtermin eines jeden Berlin-Besuches ist für mich ein Lunch im Wilson’s The-Prime-Rib- Restaurant  geworden, denn die hier gebotene Fleischqualität ist in Deutschland (und wahrscheinlich in ganz Europa) einzigartig. Das Wilson’s ist ein Lokal für Fleischfreunde und zwar für solche, die Fleisch essen wollen und sich nicht mit Beilagen vollstopfen möchten – Vegetarier, Veganer und Menschen, die sich vor großen Fleischportionen scheuen, werden hier wahrscheinlich nur schwerlich glücklich. Herzstück des Lokals ist die mindestens vier Kilogramm schwere, aus dem mageren Kern der Hochrippe geschnittene USPrime- Rib, die auf einem Beef-Trolley vor den Gast gefahren wird – je nach Gusto des Gastes wird dann an der Carving-Station eine dünnere oder dickere Fleischtranche heruntergeschnitten –
Primus ist der Crowne‘s-Cut am Knochen mit mehr als 800 Gramm. Das Aroma des Premium-Fleisches ist
einzigartig buttrigsahnig und herzhaft zugleich, während die spezielle Salz- Pfeffer-Würzkruste für Spannung am Gaumen sorgt, ohne den Fleischgeschmack zu stören – kurz: perfekt gemacht, so muss es sein!

 

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Eine weitere Destination, die ich immer wieder gerne aufsuche, ist das Yeni-Adana-Grillhaus in Kreuzberg (Skalitzer Str. 99), eine vorwiegend von Männern besuchte Destination mit Holzkohlengrill, an dem der anatolische Grillmeister Sidik Usta Regie führt. Das Lokal ist eigentlich, wie der Name schon verrät, berühmt für sein „Adana- Kebab“, doch ich komme aus einem anderen Grund hierher: wegen dem Kaburga. Im Grunde genommen ist Kaburga nichts anderes als ein Spieß mit grob geschnittenen Lammrippchen, die nur gesalzen und anschließend über Holzkohle knusprig gegrillt werden. Aber auf so wunderbar archaische und so sensationell köstliche Weise wie hier bekommt man Kaburga außerhalb der Türkei wahrscheinlich nirgends. Man sitzt bei Raki rund um den Grillmeister und sieht zu, wie das Fleisch vor einem brutzelt und gart. Gegessen wird der Kaburga natürlich mit den Fingern (wie sonst könnte man die schmackhaften Knochen auch abnagen), dazu gibt es Fladenbrot und gegrillte Pfefferoni. Ich liebe es!

Für Wurstliebhaber

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Wer lieber Wurst als Fleisch vom Grill mag, der begebe sich am besten in Das Meisterstück, eines der wirklich innovativen Lokale von Berlin. Hier gibt es die besten handwerklich hergestellten Wurstwaren aus Berlin und Deutschland, dazu erstklassige Biere, z.B. vom Brewbaker aus Berlin oder Braufaktum aus Frankfurt (zudem auch einige sehr rare und exklusive Import-Biere aus Belgien und aller Welt), frisch gebackenes Steinofenbrot und aus! Das Interieur ist eine witzig-humorvolle Persiflage auf alles, was mit „Teutonischem“ in Verbindung gebracht wird – Kuckucksuhren als Kunstobjekte an den Wänden inklusive.

Die „meisterhaften“ Wurstwaren werden auf einem zentral in der Mitte des Lokals platzierten Grill zubereitet und sind geschmackliche Zeugnisse der Handwerkskunst ihrer Produzenten. Ach ja, Currywurst gibts hier auch – unter der Glosche serviert, mit extra Curry zum Nachwürzen (aber Currywurst sollte man nicht im Lokal essen … die gehört auf die Straße!). Ich persönlich ziehe die „gekräuterten Irschenberger Bio-Aubrac-Rindswürste“, die „Blutwurst vom Benser“ oder die köstlichen „Entenwürste“ vor und genieße dazu entweder das Progusta (von Braufaktum) oder das Sorachi Ace der Brooklyn Brewery.

Steaks und Whisky

Apropos Brooklyn, dieser Stadtteil von New York ist in Berlin mit dem Brooklyn Beef Club auf besondere Art vertreten, denn der Eigentümer Alexander Schmidtvogel hat sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur die besten amerikanischen Steaks der Stadt aufzutischen, sondern diese in einem möglichst authentisch gestalteten Rahmen, der ein echtes New-Yorker-Steakhouse darstellt, zu servieren. Noch lobenswerter erschien mir aber die Aussage, dass die Küche des Hauses generell auf sämtliche Convenience-Produkte verzichtet und alle Speisen frisch und hausgemacht sind.

Das Rib Eye Steak ist schlicht sensationell, das Porterhouse geschmacklich ebenfalls ausgezeichnet (für meine Begriffe aber eher ein T-Bone-Steak). Eine wahre Freude ist es, in die handwerklich tadellos produzierten hausgemachten Pommes frites hineinzubeißen. Als ausgesprochener Freund von Whisky war ich schließlich höchsterfreut, dass man hier an der Bar über 170 unterschiedliche Elixiere (zum Teil sogar echte Raritäten) verkosten kann. Ein Steak-Lokal, wie es sein soll und in New York kaum bessere gibt – man sieht mich hier sicher wieder!

Echt geiler Burgerladen

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Auch New York Stil, aber wesentlich rustikaler ist das Bird, eine der coolsten Adressen am Prenzlauer Berg und mittlerweile berühmt für seine sensationellen Burger, die stilecht nicht gebraten, sondern gegrillt werden. Der „Birdhouse“ (Hausburger) ist unter Kennern bereits eine Legende. Gekocht wird ausschließlich frisch und nur die beste Warenqualität ist gerade gut genug (und ist das Beste, was der Markt gerade hergibt, nicht gut genug, dann kann das Gute schon mal„aus“ sein).

Absolut in: dry-aged-Steaks im sogenannten perfect cut, je nach Fleischteil zwischen 300 und 600 g schwer – weil dickere Steaks einfach saftiger und besser sind. Ein leicht verrückter Laden, aber genau das muss sein, denn „The Bird was set up in 2006 by two real, live, state of the art Nu Yoikers“. Nichts für Leute, die meinen, dass Burger nur 1,50 kosten dürfen, nichts für Spießer, die ihren Burger mit Messer und Gabel essen wollen, auch nichts für die Fraktion „well done“ und schon gar nichts für Erbsen-, Fett- und/oder Kalorienzähler – aber für alle anderen gilt: echt geiler Laden!

„To beef or not to beef“

Eine weitere schräge Destination ist das „To beef or not to beef “ in Schöneberg, das auf eine fleischorientierte urbane Italoküche setzt, fernab von Fertig-Antipasti und Pasta-Langeweile. Der englische Name soll nicht nur für Abgrenzung zu all den anderen Trattorien, Pizzerien und Italo-Lokalen sorgen, sondern auch darauf hinweisen, dass das Herzstück der italienischen Fleischküche – nämlich die bistecca fiorentina – ihren Namen ebenfalls aus dem Englischen hat (beefsteak – bistecca). Das karge Interieur erinnert mehr an neapolitanische Hinterhöfe, weniger an Capri-Urlaubsstimmung. Aber das Essen ist klasse – hier gibt es sogar tonno del Chianti, eine toskanische Spezialität, bei der Schweinefleisch auf spezielle Art in Wein gegart wird, so dass es geschmacklich anschließend an Thunfisch erinnert. Und natürlich bistecca alla fiorentina (das Fleisch stammt aus der Toscana) wie sie sein soll: mindestens 1 kg schwer und medium rare gegart. Fleischgewordene italienische Hausmannskost fernab von jeglichem Folklore-Kitsch.

Hoher Promifaktor

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Wer für den Steakgenuss einen exklusiven Rahmen wünscht, dem sei der Grill Royal ans Herz gelegt – hier werden nicht nur tolle Steaks und Grillgerichte serviert, sondern auch ein sehr urbaner und nobler Rahmen mit hohem Promi-Faktor geboten. Einzigartig ist die Lage des Lokals und diese übt eine geradezu magnetische Anziehungskraft auf Reiche und Schöne, Kreative und Medienmacher sowie (superschlanke) Models und deren (höchst solvente) Begleiter aus. Tatsächlich sind aber nicht nur das Ambiente schick und die Lage schön, sondern auch die Fleischqualität erstklassig (Hauseigene Reiferäume sollen das garantieren).

Wenn man die Gelegenheit hat, sollte man das Temmener Queen Bio-Fleisch (aus der Schorfheide) probieren – leider ist dies aufgrund der kleinen Herde nicht immer verfügbar. Aber gebratene Gänsestopfleber, Hummercocktail und die große Meeresfrüchteplatte sind auch nicht zu verachten und wer mal so richtig schlemmen möchte, bestelle sich das Kilo gerösteter Garnelen mit Aioli (köstlich). Der Grill Royal hat zweifelsohne eine Traumlage und ein exklusives, kosmopolites Flair – aber letztlich ist er doch auch nur ein (nobles und teures) Grillrestaurant mit guter Küche: nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dennoch dachte ich mir, „das Lokal hat was“, ich bin allerdings nicht draufgekommen, „was es nun tatsächlich hat“ – außer einem tollen Spreeblick.

Spanisch-argentinisches Ambiente

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Wer weniger eine schöne Aussicht denn einen schönen Gastgarten genießen möchte, dem sei das spanisch-argentinisch gestylte Tauro empfohlen, das neben wunderbarem spanischen Bellota vor allem mit vielfältigen Steak-Varianten punktet. Auch wenn die Filet-Steaks der „Renner“ des Hauses sind, sollte man der am Knochen gereiften Hochrippe vom US-Prime beef (500 g) oder den wirklich perfekt gegrillten handverlesenen kanadischen Tomahawks-Steaks (mindestens 950 Gramm) vom Heritage- Angus den Vorzug geben.

Für die Kenner unter den Gästen gibt es hier auch noch eine andere, wahrhaft köstliche Rarität: nämlich das „American Smoky-beef “. Hierfür wird bestes US-Prime-beef nicht nur am Knochen gereift, sondern zusätzlich kalt geräuchert, wodurch es ein ganz spezielles, zart-würziges Aroma erhält – wunderbar saftig und aromatisch verzaubert es den Gaumen! Last but not least sollte man hier das Hight-Light des Hauses genießen, denn Patron Gerd Spitzer ist stolz auf die geschmorte „Black Angus Chuck Short Rib Bone In“ vom Nebraska- Rind, die nach ur-amerikansicher Methode butterzart mit BBQ-Sauce aufgetischt wird. Apropos BBQ: auch dieses Genre bedient der umtriebige Szene-Gastronom Spitzer, denn sein neuestes Projekt ist die BBQ-Kitchen am Hackeschen Bahnhof. Eigentlich handelt es sich hierbei mehr um eine Rotisserie, weil gegrillte Hühner und Enten den Schwerpunkt bilden.

Der Clou des Lokals ist neben dem tollen Ambiente und den speziellen französischen Rotisserie-Grillern das Konzept: Man kann alles in Vierteln, Hälften oder im Ganzen bestellen (ein Viertel Huhn, ein halbes Huhn oder ein ganzes Huhn beispielsweise). Das gilt auch für die Getränke, weshalb der Bierlieferant für das Lokal spezielle Gläser hat anfertigen müssen, weil ein Viertel Bier in Berlin nicht üblich ist. Der kleine Überblick zeigt eines: Die Fleischkultur erlebt in Berlin eine wahre Renaissance und von traditionell bis modern gibt es alles, was den Carnivoren gefällt. Aber weil Berlin nicht schläft, bleibt auf der Strecke, wer dies tut – oder anders gesagt: Wer nicht mit der Zeit geht und sich immer wieder erneuert, wird alsbald unterm Radar der Fleisch-Szene durchrutschen. Es darf experimentiert werden, was der innovative Geist hergibt und es darf mondän sein, was dem Geldadel gefällt – Berlin darf scheinbar alles sein, nur nicht langweilig!