Vierzig Tage versagen sich aus religiösen oder ethischen Gründen auch heute noch viele Österreicher den Genuss auf Fleisch, Alkohol und Süßigkeiten. Für andere Menschen ist das Fasten zwischen Aschermittwoch und Ostern gesundheitlich motiviert. Wiederum andere verzichten lieber gänzlich auf den Verzicht. Wie dem auch sei – am Ostersonntag sind sich alle Fraktionen wieder einig, wenn es quer durch das Land an die traditionelle Osterjause geht. Kein österliches Festmahl kommt ohne Ostereier, süßes Gebäck oder knuspriges Bauernbrot, Butter, frisch gerissenen Kren und – womit wir beim Thema sind – einen Osterschinken aus.
Für Glück und Gesundheit
Um das saftige Stück Fleisch ranken sich Geschichten und Rituale, die eng mit dem katholischen Glauben verbunden sind. Zum Gedenken an den Auszug der Juden aus Ägypten, die zum Paschafest ein Lamm schlachteten, ist es in vielen Teilen Österreichs seit Langem Brauch, das Fleisch am Karsamstag oder nach der Auferstehungsfeier in der Osternacht in die Kirche zur Speisensegnung zu bringen. Erst ein gesegnetes Fleisch darf angeschnitten werden und kann dazu gereichen, der ganzen Familie, die es gemeinsam genießt, ein Jahr voll Glück und Gesundheit zu bescheren. Historisch belegt ist dieser Brauch, dessen Ursprünge in Slowenien oder Polen vermutet werden, ab dem siebten Jahrhundert.
Obwohl es korrekt ist, von der Speisensegnung zu sprechen, wird umgangssprachlich oft der Begriff Speisenweihe verwendet. Das Fleisch selbst wird dann als „Weihfleisch“ oder „Woachfleisch“ bezeichnet. Meist wird der Schinken in einem Korb gemeinsam mit anderen Brauchtumsspeisen zu der kirchlichen Zeremonie gebracht, zu der sich im ländlichen Raum mehr oder weniger die gesamte Dorfgemeinschaft einfindet. In anderen Gegenden des Landes wird der Osterschinken noch vor Sonnenaufgang im Garten an einen Baum gehängt. Dieser Brauch soll dafür Sorge tragen, den Segen des Papstes aus Rom einzufangen. Denn gesegneten Speisen sagtman nach, sie geben doppelt Kraft. Nach dem Kirchgang findet das rituelle Essen des gesegneten Fleisches und der anderen Köstlichkeiten im Kreise der Familie statt.
Eine vielseitige Hauptrolle
Nun aber zu den fleischigen Details. Den typischen Osterschinken gibt es nicht. Ob Beinschinken, Geselchtes, Teilsames, Selchroller oder vom Schopfbraten, geräuchert, gepökelt und gekocht – den Osterschinken trifft man je nach Region in mannigfaltigen Erscheinungsformen an. Viele Produzenten greifen zum Fleisch aus der Schweinehinterkeule, das – wie vom Prager Schinken bekannt – mitsamt der Schwarte zunächst mit Salz, ein wenig Zucker und Gewürzen wie Koriander, Wacholder, Kümmel und Lorbeer eingerieben wird. Oft wird er dann trocken für rund einen Monat gepökelt. Im Anschluss erfährt der Schinken für einen weiteren Monat eine Kalträucherung über Nadelholz, dessen behutsame Auswahl maßgeblich für das Aroma des Endprodukts ist. Nach dem Räuchern wird er schließlich vorgekocht oder gebrüht.
Die Krönung am Festtagstisch ist der in Brotteig gebackene, dünn aufgeschnittene Schinken, der das Fastenbrechen zum Hochgenuss macht. Durch den Brotteig bleibt der Schinken besonders saftig. Im Gegenzug wird das Brot selbst durch den Schinken gut haltbar gemacht und ist so über mehrere Tage eine delikate Angelegenheit. In ländlichen Gegenden bietet gelegentlich noch ein lokaler Bäcker Hilfe bei der Zubereitung eines Schinkens im Brotteig an: Da bringt man entweder seinen fertigen Schinken zum Bäcker, sodass dieser ihn in eine knusprige Hülle einbäckt, oder man holt sich umgekehrt den Teig nach Hause, um das schmackhafte Teil vom Schwein selbst mit der delikaten Hülle zu versehen.
Über die optimale Teigstärke rund um den Schinken lässt sich, genauso wie über das umhüllte Fleisch selbst, diskutieren. Profis des Traditionsgerichts schwören darauf, der Teig solle exakt fingerdick sein. Ein Schinken von einem Kilogramm Gewicht würde sodann in der Zubereitung genau eine Stunde dauern.
Köstliche Nebendarsteller
Zur Perfektionierung des Osterschinken-Genusses ist abschließend noch das passende Beiwerk festzulegen. Auch hierbei hat nicht nur jede Region ihre eigenen Favoriten, sondern es darf nach persönlichem Gutdünken kredenzt werden, was beliebt. Im Burgenland etwa lässt man sich zum saftigen Fleisch gerne Eierkren und Vogerlsalat schmecken, denn etwas Grünes darf passend zum quasi gleichzeitigen Frühlingsbeginn nicht fehlen.
In Kärnten ist es der traditionsreiche Osterreindling aus Germteig, gefüllt mit Rosinen, Nüssen, Zimt und Zucker, der den Osterschinken begleitet. Frischer Kren, Senf, diehart gekochten Ostereier und frisches Bauernbrot sind ebenfalls weitverbreitete Klassiker in Punkto Begleitmusik am Ostertisch.
Wenn Ihnen das Wasser im Mund zusammengelaufen ist, dann halten Sie durch und freuen sich schon jetzt auf ein genussvolles Fastenbrechen mit einem saftigen Osterschinken begleitet von feinen Zuspeisen Ihrer Wahl.