Wein zu trinken ist eine Sache – ihn wirklich zu verkosten und all seine Nuancen zu erfassen, eine ganz andere. Eine professionelle Weinverkostung erfordert Konzentration und eine geschulte... Mehr lesen ...
Der Klimawandel macht auch vor den Weinbergen nicht Halt: Durch verstärkte Sonneneinstrahlung nimmt die Ausprägung dieser speziellen Note im Bouquet deutscher Rieslinge zu – was nicht bei allen Weinliebhabern auf Begeisterung stößt. Ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München hat nun herausgefunden, welcher Geruchsrezeptor beim Menschen auf dieses Aroma reagiert – ein wichtiger Schritt zum besseren Verständnis der sensorischen Wirkung dieser umstrittenen Duftnote.
Edelweinrebe Riesling
Die Weinrebe (Vitis vinifera) zählt weltweit zu den wirtschaftlich wichtigsten Obstpflanzen – und der Riesling gehört dabei zu den klassischen und besonders geschätzten Rebsorten. Sein Bouquet ist geprägt von blumigen, fruchtigen und honigartigen Aromen, häufig begleitet von einer mehr oder weniger ausgeprägten Petrolnote. Diese charakteristische Nuance geht auf den Duftstoff 1,1,6-Trimethyl-1,2-dihydronaphthalin (TDN) zurück. In niedrigen bis moderaten Konzentrationen kann TDN die aromatische Komplexität des Weins bereichern. Bei höheren Gehalten jedoch stößt dieser Geruch bei vielen Konsumentinnen und Konsumenten in Deutschland eher auf Ablehnung.
Menschliche Geruchsrezeptoren
Der Mensch verfügt über rund 400 verschiedene Gene für Geruchsrezeptoren, aus denen sich bis zu 600 unterschiedliche allelische Varianten ergeben können, die in der Nasenschleimhaut aktiv sind. Diese Rezeptoren ermöglichen es uns, eine Vielzahl von Gerüchen wahrzunehmen und zu unterscheiden. Trotz intensiver Forschung ist bislang erst bei etwa 20 Prozent dieser Rezeptoren bekannt, welche Duftstoffe sie tatsächlich erkennen. Die genaue Funktion und Vielfalt aller Rezeptorvarianten ist noch nicht vollständig entschlüsselt und bleibt ein spannendes Feld der sensorischen Forschung.
Höhere UV-Belastung verstärkt Petrolnote
Im Vergleich zu deutschem Riesling enthalten Riesling-Weine aus Südafrika oder Australien in der Regel deutlich höhere Konzentrationen des charakteristischen Duftstoffs. Verantwortlich dafür ist vermutlich die intensivere UV-Strahlung in der südlichen Hemisphäre, der die Trauben während der Reifung ausgesetzt sind. Diese führt zu einer erhöhten Bildung von Carotinoiden – natürlichen Farbstoffen, die in den Pflanzen als Schutzmechanismus gegen UV-Strahlung dienen, ähnlich wie Pigmente in menschlicher Haut. Gleichzeitig bilden diese Stoffe die molekulare Grundlage für die Entstehung von TDN, dem Aroma, das für die Petrolnote verantwortlich ist.
Rezeptor mit spezifischem Erkennungsprofil
Die Wahrnehmungsschwelle für die an Petroleum oder Kerosin erinnernde Verbindung liegt Studien zufolge zwischen etwa 2 und 20 Mikrogramm pro Liter. Dennoch war bislang unklar, welcher menschliche Geruchsrezeptor für die Erkennung dieses Duftstoffs verantwortlich ist. Das Forschungsteam um Dietmar Krautwurst konnte nun erstmals den Rezeptor OR8H1 als TDN-spezifisch identifizieren. Dieses neue Wissen könnte langfristig zur Entwicklung innovativer Sensortechnologien beitragen, die zur gezielten Analyse und Steuerung von Aromen in Lebensmitteln eingesetzt werden können – sei es zur Kontrolle der Petrolnote im Wein oder zur Erkennung unerwünschter Fehlaromen in anderen Produkten.
Quelle: www.leibniz-lsb.de