In den vergangenen Jahrzehnten ist es still geworden um den Wermut. In der Belle Époque und in der amerikanischen Bar-Szene der 1950er-Jahre war dieser omnipräsent. Nun ist er wieder da! Aber Wird er das neue Kultgetränk? Wird Wermut den Gin-Boom ablösen? Und wann?
Wermut – internationale Bezeichnung: Vermouth – ist ein aufgespriteter Wein, der mit Gewürzen und Kräutern aromatisiert wurde. Der gesetzlich vorgeschriebene Alkoholgehalt liegt zwischen 14,5 und 22 Vol.-% Alkohol, die Höhe des Zuckergehalts entscheidet alleinig der Produzent.
Namensgeber ist das Wermutkraut. Die Bitterstoffe in dieser Pflanze prägen maßgeblich den Geschmack und ohne die Verwendung des Krautes ist die Bezeichnung Wermut unzulässig. Man kann ihn als Aperitif oder als Speisenbegleiter genießen, er ist beliebt in vielen Cocktailrezepten (wie Negroni oder Manhattan) und in der Küche ist er nicht wegzudenken.
Ein Kraut für alle Fälle
Das Wermutkraut wächst auf natürliche Art und Weise in ganz Europa, Asien, Indien, Marokko und Algerien. In Nordamerika wurde es angesiedelt. Die Pflanze gedeiht auf trockenen, sandigen, tonhaltigen Böden bis zu einer Seehöhe von 3.500 Metern. Die hohe Konzentration an Bitterstoffen (bis zu 0,4 Prozent) und ätherischen Ölen (bis zu 0,8 Prozent) machen dieses Kraut einzigartig. Es gilt seit der Antike als Heilpflanze und fand unterschiedlichste Anwendungen: zur Appetitanregung, zur Verdauungsförderung, bei Kopfschmerzen, bei Entzündungen und sogar bei der Gelbsucht. Es soll auch gegen Mottenfraß im Kleiderschrank helfen. Hildegard von Bingen beschäftigte sich intensiv mit dem Wermutkraut. Sie betonte immer seine wohltuende Wirkung auf Herz, Lunge, Niere, Magen, Verdauung und Entschlackung. Achtung! Wer überdosiert, muss mit Nebenwirkungen wie Benommenheit, Erbrechen, Bauchschmerzen und im allerschlimmsten Fall mit einer Störung des zentralen Nervensystems rechnen.
Wie alles begann
Blickt man ein Stück weiter zurück in die Geschichte, so war es China, das bereits vor 7.000 Jahren aus Reis, Hirse, Honig, Kräutern, Chrysanthemen, Gewürzen und Obst alkoholische Getränke herstellen konnte. In der Zeit zwischen 1.250 bis 1.000 vor Christus findet man Aufzeichnungen von Kräuterweinen in China, die als „chang“ bezeichnet wurden. Ähnlich aromatische Weine werden auch heute noch in Asien hergestellt: in Vietnam „Ruou“, in China „Zieu“ oder „Chiew“, in Korea und Japan „Shōchū“. Auch in Indien wurden Kräuterweine lange vor Christus als Heilmittel eingesetzt. Hippokrates – der berühmte griechische Arzt – soll auch Weißwein mit Wermut versetzt haben und diesen für medizinische Zwecke verwendet haben. Aber erst 77 nach Christus schrieb Plinius der Ältere erstmals im Buch „Naturalis historica“ über die wohltuende Wirkung des Wermutkrautes im Wein.
Der katalanische Gelehrte und Arzt Arnaldus de Villanova entdeckte, dass mit hochprozentigem Alkohol der Gärprozess des Weins unterbrochen wird. Im Jahr 1310 veröffentlichte er ein Buch mit Ratschlägen zur Weinbereitung und den geschmacklichen Eigenschaften des Weins. Arnaldus de Villanova studierte arabische Rezepte mit der Destillation von Alkohol und begann zu experimentieren. Schließlich gelang es ihm, aus Wein einen Branntwein herzustellen, den er als Aqua Vine oder Aqua Vitae bezeichnete.
Im Jahr 1555 veröffentlichte der Piemonteser Alchemist Girolamo Ruscelli – besser bekannt unter seinem Synonym Alessio di Piemontese – das Werk „Secreti del Reverendo Donno Alessio Piemontese“ (Die Geheimnisse des Alessio di Piemontese). In seinem Werk schrieb er unter anderem über die Herstellung von Branntwein. Ruscelli begann damals in Florenz Gewürze und Wein einzukaufen und stellte die ersten aromatischen Weine her. Das großartige, beliebte, neue Getränk verbreitete sich rasend, wurde zum großen Erfolg und oftmals kopiert. In Turin entwickelte sich der Trend zum Aperitiftrinken und Wermut wurde immer beliebter. Die Turiner Damenwelt war begeistert, endlich eine Alternative zu den borstigen Rotweinen zu haben. Im Jahr 1786 begann der Turiner Destillateur Antonio Benedetto Carpano die kommerzielle Herstellung von Wermut. Er spritete einen Weißwein, süßte diesen mit Zucker und aromatisierte ihn mit über 30 Kräutern und Gewürzen. Antonio Benedetto Carpano war mit seinem Wermut so erfolgreich, dass sein Geschäft jeden Tag 24 Stunden offen war!
Wermut war lange Zeit den Adelskreisen vorbehalten, da die Zutaten sehr kostspielig waren, besonders teuer war zur damaligen Zeit der Zucker. Das einfache Volk konnte sich diesen Luxus nicht leisten. Über die Entstehung der deutschsprachigen Bezeichnung Wermut gibt es mehrere Mutmaßungen. Einerseits die feindseligen Beziehungen zwischen Italien und Frankreich, andererseits Carpanos Verehrung für den deutschen Dichter Johann Wolfgang von Goethe. Vom Herzogtum Savoyen war den Franzosen die Beliebtheit des Wermuts bekannt, allerdings dauerte es noch einige Jahre, bis dieser auch in Frankreich seine Fans fand. In Frankreich ist er überwiegend knochentrocken, in Italien hingegen gibt es ihn in allen Varianten von trocken bis süß. Die Süße-Bezeichnungen wurden traditionell durch die Farbgebung der Etiketten oder der Schriftzüge kommuniziert, traditionelle Hersteller wenden dies auch noch heute an: GRÜN bedeutet dry (trocken), BLAU steht für sweet (süß) und ROT für red (rot).
Herstellung
Die Basis des Wermuts ist Wein, der mit frischem Traubenmost, gärendem Traubenmost und/oder Alkohol versetzt wird, um den gesetzlich geforderten Alkoholgehalt zu erzielen. Die weltweit meistverwendeten Rebsorten sind: Clairette, Colombard, Macabeo, Muskateller, Parellada, Picpoul Blanc, Tempranillo, Trebbiano und Xarel-lo. Die wichtigste Zutat ist das Wermutkraut, die Menge entscheidet jeder Produzent selbst. Die Süße wird durch karamellisierten Zucker, Traubenmost, rektifiziertes Traubenmostkonzentrat oder konzentrierten Traubenmost verliehen. Weiters werden Früchte, Samen, Gewürze, Rinden und Kräuter über mehrere Wochen in neutralem Alkohol eingelegt, um das Aroma zu extrahieren, und danach dem Wein beigefügt. Der Hersteller kann sich bei der Zusammensetzung seiner „Botanicals“ austoben. Botanicals, die häufig für die Aromatisierung verwendet werden, sind: Bitterholz, Enzian, Bitterorange, Rhabarber, Rosenblüten, Kamille, Schafgarbe, Kardamom, Koriander, Muskatnuss, Safran, Sternanis, Vanille, Wacholder, Zimt und Rosmarin. Durch die geheime Botanical-Rezeptur der Hersteller ist jeder Wermut eigenständig und individuell. Der Genießer darf sich durch die Wermut-Welt durchkosten, um seinen eigenen Favoriten zu finden.
Roter Wermut wird traditionell aus weißem Wein produziert, der mit Zuckercouleur oder Karamell gefärbt wird. Die heutzutage neuen Interpretationen werden auch aus Rotwein hergestellt. Heute ist im Bereich Wermut alles möglich, die gesetzlichen Bestimmungen sind kurz und bündig, es gibt keine Definition über die Menge des Wermutkrautes, somit finden sich Produkte auf dem Markt, die eher einem Likör, einem Kräuterkracherl oder einem Punsch ähneln und wenig mit Wermut zu tun haben. Bei geringer Gabe des Krautes setzt sich dieses weder geruchlich noch geschmacklich durch.
Lagertipps
Wermut ist Wein und eine lang geöffnete Flasche verliert an Aroma und Geschmack. Mein Tipp: Wenn Sie zu Hause eine offene Flasche finden, deren Öffnungszeitpunkt unbekannt ist, dann entsorgen Sie diese, um nicht enttäuscht zu werden. Alternativ können Sie eine überlagerte Flasche noch zum Kochen verwenden. Wermut wird nicht, wie Sherry, oxidativ ausgebaut, daher ist der Sauerstoff wie beim Wein für die Oxidation und den dadurch entstehenden Qualitätsverlust verantwortlich.
Wie und wann genießt man Wermut?
Auf alle Fälle gekühlt! Pur – um das volle Aroma unverfälscht genießen zu können. Auf Eis – im Sommer der ideale Drink für jede Tageszeit. Mit Soda – wenn der Wermut etwas leichter und süffiger sein soll. In Cocktails – wobei die anderen Zutaten maßgeblichen Einfluss auf den finalen Geschmack des Cocktails haben und der Wermut nicht mehr so klar erkennbar ist. Mit Tonic – die leichte Alternative zu Gin. Wann? Immer! Wermut ist in der Aperitif-, Speisenbegleiter-, Digestif- und Cocktail-Welt zu Hause. Probieren Sie es aus, haben Sie mehr Mut zu Wermut! Sie werden begeistert sein!
GENUSS.Wermut Trophy
Trophy-Sieger:
- MOTIF, Gamlitz, Österreich | 93 P./4 Gläser | Vermouth rosé halbtrocken € 24,90
Die besten Preis.GENUSS.Wermuts:
- Weingut Krispel, Straden, Österreich | 92 P. /4 Gläser | Wermut weiß süß € 19,90
- Burschik, Wien, Österreich | 91 P./4 Gläser | Burschik‘s Vermouth red süß € 14,90
- Gründl Stefan, Labuttendorf, Österreich | 90 P./4 Gläser | Wermut weiß halbtrocken € 8,90 (0,5 L)
- Carpano, Italien, Importeur Kattus, Wien | 88 P./3 Gläser | Mes Vermouth red sweet € 10,–
- Burschik, Wien, Österreich | 88 P./3 Gläser | Burschik‘s Vermouth Klassik weiß lieblich € 14,90
- Charakterweine Josef Scharl, St. Anna am Aigen, Österreich | 89 P./3 Gläser | Wermut weiß – beim Machen so geworden trocken € 18,–
- Tropper Bio Weine, Straden, Österreich | 89 P./ 3 Gläser | Aronia Wermut rot halbtrocken € 18,– (0,7 L)
88 P./3 Gläser | Kräuter Wermut weiß halbtrocken € 18,– (0,7 L) - Weingut Moser, Leutschach, Österreich | 88 P./3 Gläser | Vermouth 700 weiß trocken € 18,–
- Gutjahr, Kitzeck im Sausal, Österreich | 88 P./3 Gläser | Sausaler Wermut weiß halbtrocken € 16,– (0,7 L)
Details & Verkostungsergebnisse aus dem GENUSS.Magazin 08/2020 finden Sie untenstehend zum Download!