Der Schöpfer des „Wiener Würstel“ ist ein gewisser Johann Georg Lahner (1772 – 1845). Lahner wurde im Oberfränkischen Gasseldorf (in der sogenannten Fränkischen Schweiz) in Kleinbäuerlichen Verhältnissen geboren. 1795 zog es ihn – wie viele seiner Zeitgenossen – in die Ferne um dort sein Glück zu versuchen. Frankfurt war das seinige wo er im damaligen „Worschtquartier“ das Fleischerhandwerk erlernte und sich vom Aufhack-Knecht zum Gesellen hocharbeitete.
Schon damals gab es in Frankfurt die sogenannten „Frankfurter Würste“ welche aber wesentlich gröber waren als die heutigen. Immerhin gab es aber schon eine Art Kodex, der besagte, dass „Frankfurter Würste“ nur aus einer Sorte Fleisch hergestellt werden dürfen – entweder aus Schweinefleisch oder auch aus Bullenfleisch (diese „Rindworscht“ wurde von Gref-Völsings kreiert, einen Betrieb der damals am Rande des Jüdischen Viertels gelegen war und dieses Klientel mit einer „Schweinefleisch losen“ Wurst beliefern wollte – Betrieb und Wurst existieren bis heute). Typisch für die damaligen „Frankfurter Würstchen“ war auch ihre Form, denn nach dem Räuchern wurden sie in Kisten gestapelt, wodurch sie eine leicht viereckige Form erhielten.
Nach seiner Lehrzeit zog es den jungen Lahner wieder in die Ferne – der Legende nach der Liebe wegen – nach Wien wo er 1799 seine Zelte aufschlug. Zunächst schlug er sich erneut als Aufhackknecht durch, dann machte der gutaussehende Lahner seine Meisterprüfung. Mit Hilfe einer vermögenden Gönnerin, die ihm 300 Gulden Kredit gab, eröffnete er dann 1804 am damaligen Schottenfeld 272 (heute Neustiftgasse 112) seine Fleischerei.
Zunächst kein Erfolg, dann zündende Idee
Zunächst besann sich Lahner des in den Lehrjahren erworbenen Wissens und erzeugte in Wien ebenfalls Frankfurter Würstchen, die seinerzeit in der Donaumetropole noch ziemlich unbekannt waren. Doch die rustikale Wurst, die zudem sehr salzig und rauchig war fand in der Wiener Gesellschaft keine große Anerkennung. Im Jahre 1805 hatte Lahner dann die zündende Idee: was nämlich in Frankfurt verboten war (nämlich das Mischen von Fleischsorten), das war in Wien erlaubt. Lahner tüftelte und experimentierte intensiv bis er mit seine neuen „Lahner Würstel“ vorstellte. Am 15. Mai 1805 berichtete die Wiener Stadtzeitung über die neue Wurst welche nun nicht nur aus Schweinefleisch bestand, sondern auch einen Anteil Rindfleisch hatte und sich in einem Schaf-Saitling befand weil dieser nach Lahner Meinung beim Reinbeißen ein appetitliches Knacken erzeugt. Aber nicht nur die Fleischmischung war neu, auch das Verfahren: die Wurst war aufgrund einer besseren Qualität feiner und weniger rauchig. Das Fleisch wurde vollkommen entsehnt, gehackt und mit großen Wiegemessern unter Wasserzugabe zu Brät verarbeitet bevor am das Brät händisch in die Därme stopfte. Nach einer relativ kurzen Selchphase wurden die Würstchen gebrüht und frisch zum Verkauf angeboten.
Und siehe da – mit seiner neuen Wurst traf Lahner genau den Geschmack der Wiener. Schon bald war seine Wurst in aller Munde und kulinarisches Stadtgespräch Nummer 1. Reich und Arm, Jung und Alt, Adelig oder Handwerker – egal: Alle liebten die herzhafte Wurst - und was in Wien geliebt wurde, musste auch eingewienert werden. So trug das Firmenschild des Lahnerschen Anwesens bald die Aufschrift „Johann G. Lahner Fleischselcherei – Alleinerzeuger der Original Wiener Frankfurter Würstel“. Er ist somit nicht nur Erfinder der Wiener Würstel, sondern auch der Namensgeber – im Namen wollte er einfach den Ort seiner Lehre mit dem Ort seines Erfolges verknüpfen.
Das Casino Zögernitz, der beste Abnehmer Lahners, erhielt im Volksmund den Beinamen "Würstelburg" und schon bald zogen fahrende Händler mit Kesseln durch die Stadt, aus denen sie die „Frankfurter Würstel“ verkaufen, was bis heute zur Namens-Verwirrung beigetragen hat. Der Erfolg ermöglichte es Lahner auch Franz I. in der Hofburg seine Spezialität vorzustellen, den er daraufhin auch täglich beliefern durfte. 1845 übergab Lahner dann seinen Betrieb an Sohn Franz Lahner, der dann in Zusammenarbeit mit dem Hotel Sacher eine noch feinere Variante der Wurst entwickelte – nämlich das bis heute so beliebte „Sacher Würstel“. Und ein weiterer Nachfahre der Lahner-Dynastie entwickelte das was man heute als „HOT-DOG“ kennt. Über viele Generationen hinweg blieb die Fleischerei Lahner in Familienbesitz, allerdings nicht mehr in der Neustiftgasse 112, sondern in der heutigen Kaiserstrasse 77, wo sie bis in die 1970er Jahre betrieben wurde und dann leider mangels Nachwuchs die Toren schloss.
Längst waren aber Frankfurter und Wiener Würstchen ein Welterfolg, wenngleich schon lange nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form, denn einerseits haben die Lahners ihre Rezeptur immer wieder adaptiert zum anderen wurde sie vom Zeitgeist und den Einsatz von Maschinen wie Kuttern immer wieder verändert bis der heutige Kodex eine Wurst vorschreibt, die mit Lahners Erfindung nicht mehr viel zu tun hat.
Wiederentdeckung
Gerd Wolfgang Sievers ist ein Kind „vom Grund“ (der Schottenfeld hatte auch den Beinamen „Seidengrund“ – die heutige Seidengasse erinnert daran), denn einen Großteil seiner Kindheit verbrachte er in Wien 7., Schottenfeldgasse – also unweit der Fleischerei Lahner – bei seinen Großeltern. Diese waren befreundet mit den Lahners und so erfuhr er als Kind viel über das traditionelle Fleischerhandwerk – und noch wichtiger: er konnte sich noch an der Lahner-Wurst erfreuen, wenngleich schon nicht mehr an den ganz ursprünglichen. Aber schon damals kulinarisch interessiert stellte er Fragen um Fragen … auch andere ortsansässige Fleischer wie der legendäre Slatner wurden nicht verschont. Und tatsächlich erfuhr er eines Tages wie Johann G. Lahner seine Wurst ursprünglich gewürzt und hergestellt hatte.
Seit vielen Jahrzehnten schon wollte er die Wurst wieder zurück ins Leben rufen und eine Legende neu aufleben lassen – doch erst nach dem Verfassen einiger Praxis-Bücher über die Fleischveredelung war es soweit. Mit dem Fleischer Stefan Windisch, dem Erzeuger der „Original Wiener Sacher Würstel“ für das Hotel Sacher, fand er einen kongenialen Partner. Doch es bestand noch immer das Problem, dass das ursprüngliche Rezept so nicht marktreif sein würde, weil immer noch zu deftig und zu derb. Und dann war da noch das Problem dass der heutige Markt eine Frankfurter- oder auch Wiener-Wurst kennt, deren Geschmack vornehmlich von Gewürzen dominiert wird – nicht vom Fleisch.
Nach einigen Überlegen fanden zu beiden einen gangbaren Weg, einen Kompromiss der die Brücke zwischen dem Ur-Rezept und dem heutigen Markt schlägt kann. Verfahren und Rezept sind naturgemäß streng geheim – nur soviel sei verraten: der Geschmack der Wurst ist vom aromatischen Fleisch der Mangalitza-Schweine und des Graurindes bestimmt; beide dieser alten Rassen waren im damaligen Habsburger-Reich die dominierenden Haustier-Rassen. Dass die Lahner-Wurst mit traditionellem Handwerk erzeugt wird, versteht sich von selbst. Stefan Windisch und ich haben sich aber möglichst getreu an das Original gehalten und nur an wenigen Stellen dem Zeitgeist Tribut gezollt.
Die Idee war das Würstel unter seinem damaligen Namen „Original Wiener Lahner-Frankfurter Würstel“ auf den Markt zu bringen, doch weil sowohl „Frankfurter-„ wie auch „Wiener Würstel“ der Kodex-Kommission unterliegen war das nicht erlaubt – weil die Wurst schlicht und einfach nicht den Kodex-Anforderungen entspricht. Aber der perfekt Name lag eigentlich auf den Hand, denn Lahner hat seine eigene Wurst ja zunächst auch nicht Frankfurter oder Wiener genannt sondern schlicht „Lahner Würstel“ – und so entschieden sich Sievers und Windisch für „Alt-Wiener-Lahner-Würstel“ (die Wort-Bildmarke ist Europaweit geschützt). Der Name beschreibt einerseits den Ursprung mit Ort und Erfinder und unterstreicht das gewisse Alleinstellungsmerkmal, denn die Lahner-Würstel haben (außer der Form vielleicht) kaum etwas mit den heute geläufigen Frankfurtern und Wienern gemeinsam und sollten daher auch nicht mit diesem verwechselt werden können.
Seit kurzem ist dieses traditionelle Handwerks-Produkt wieder im Handel erhältlich – unter anderem in ausgewählten MERKUR-Filialen (z.b. Hoher Markt), ausgesuchten BILLA-Filialen (z.b. Herrenhutterhaus), über die Firma WINDISCH oder unter info@lahner-wuerstel.wien.