Rassig-kulinarisches Balkanvergnügen

Ein Artikel von Andrea Sturm | 21.10.2020 - 15:00

Wenn trotz angenehmer Temperaturen und gut glühendem Grill im vergangenen Sommer das letzte Quäntchen Urlaubsfeeling gefehlt hat, sind sie gerade recht gekommen: die Ćevapčići. Vom Wiener seit Helmut Qualtingers Travnicek-Reisen liebevoll despektierlich „Hundstrümmerl“ genannt, eignen sie sich besonders gut, um kulinarische Urlaubserinnerungen wachzurufen. Für das perfekte mediterran angehauchte Balkanvergnügen auf dem Grill haben wir deshalb 20 vorbereitete Ćevapčići einem ausführlichen Geschmackstest unterzogen.

Während früher jeder halbwegs balkanesisch angehauchte Hobbykoch und jede leidenschaftliche Köchin nach dem Urlaub im Südosten ihr eigenes, oft geheimes Ćevapčići-Rezept hüteten, sind die gschmackigen faschierten Sticks mittlerweile zu einem typischen Convenience-Produkt geworden. Ob der lebhaften früheren Diskussionen vor dem Griller, in denen es um Fleischauswahl, Würzung und um die Frage ging, ob Zwiebel oder doch eher Knoblauch das Aroma jenseits des Fleischgeschmacks dominieren sollen, holt man die begehrten Trümmerl heute lieber gleich von der Fleischtheke seines Vertrauens. Das sorgte auch für eine Standardisierung der Zutaten, wobei die Vorgaben des Lebensmittelbuchs nicht ganz so streng sind wie etwa bei Wurst oder Schinken.
Obwohl die Ur-Variante der Ćevapčići aus Lammfleisch zubereitet wurde, ist hierzulande mittlerweile festgeschrieben, dass es sich beim verwendeten Faschierten um Rind und/oder Schwein handeln muss, andernfalls – etwa beim originalen Lamm – wäre das verwendete Tier extra zu deklarieren.

Was drinnen ist und nicht drinnen sein darf

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Ćevapčići mit allem "Drum und Dran". © Herbert Lehmann

Anders als bei den heimischen faschierten Laberln haben Semmeln, Getreide und Ei in der Ćevapčići-Masse nichts verloren. Zudem soll das Fleisch nicht zu fein faschiert sein, aber halt auch nicht zu grob – fünf Millimeter sind als Richtwert angegeben. Ebenso wichtig wie die richtige Fleischauswahl und -vorbereitung ist natürlich die Würze. Auf keinen Fall in die Ćevapčići darf dabei Pökelsalz. Eine allzu rosige Färbung ist ein verräterisches Zeichen für dessen unerwünschte Zugabe. Geschmacksgebend sind neben herkömmlichem Salz meistens Zwiebel und Knoblauch sowie Paprikapulver und Pfeffer. Aber auch Kräuter wie Petersilie dürfen oft eine geschmackstragende Rolle übernehmen. Häufig erschmeckt wurden bei unseren Kandidaten auch orientalische Anklänge auf Kardamom-Basis oder mediterrane Ausfertigungen, etwa mit leichtem Oregano.

Sprachlich sind die Ćevapčići übrigens mit dem Kebap verwandt: Beide Wörter gehen auf das persische oder gleichlautend arabische Wort „kabāb“ für „gegrilltes/gebratenes Fleisch” zurück. Das könnte auch heute noch für Verwirrung sorgen, denn in Mazedonien wird jemand, der ein Kebap bestellt, möglicherweise überrascht sein, wenn ihm Ćevapčići serviert werden. Historisch dürften die Ahnen der heutigen Ćevapčići aus Persien stammen, ihre heutige Verbreitung im östlichen Mittelmeerraum verdanken sie laut Küchenhistorikern den mehr oder weniger kriegerischen Wanderungen der Osmanen. In den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien gibt es neben unterschiedlichen Zubereitungsarten auch unterschiedliche Empfehlungen für die begleitenden Saucen. Während etwa in Kroatien Ćevapčići ohne Ajvar (eine mehr oder weniger scharfe Paprika-Sauce) undenkbar wären, gilt diess im heute als Zentrum der Ćevapčići-Kultur wahrgenommenen Bosnien-Herzegowina als Fauxpas. Dort serviert man sie nämlich am liebsten mit Kaymak, einer Art gestocktem Obers, ähnlich der britischen Clotted Cream. Der Zwiebelsenf wird ab dem nördlichen Slowenien und dann weiter bis nach Nordost-Österreich als unverzichtbarer Ćevapčići-Begleiter betrachtet.

Dass die unter Qualtingers Kabarett-Herrschaft noch exotisch anmutenden „Hundstrümmerl“ längst auch bei uns zum kulinarischen Mainstream zählen, zeigt etwa das Wiener Ćevapčići-Festival 2017. Für die Veranstaltung im Donaupark wurden 5.000 Besucher erwartet, gekommen sind damals 30.000. Auch in Graz fanden 2018 und 2019 einschlägige Events mit regem Zulauf statt. Auf eine baldige Neuauflage kann derzeit allerdings nur gehofft werden.

20 Kandidaten aus Supermärkten und Fleischereien

Unsere 20 Testkandidaten haben wir bei ostösterreichischen Fleischern sowie in den Supermärkten besorgt. Acht kulinarisch hochwertig gebildete Jurymitglieder trafen zusammen, um die Vertreter der südlichen Fleischlaberlalternative auf Geschmack, Konsistenz und Grilltauglichkeit zu prüfen. Ein Plattengrill mit exakt einstellbarer Temperatur sorgte dafür, dass alle Teilnehmer die gleiche Behandlung erfuhren, bevor sie auf die Verkostungsteller kamen. Die Grillplatte wurde natürlich nach jedem Kandidaten gereinigt, um Geschmacksübertragungen zu vermeiden.

Verkostet wurden die Ćevapčići pur, also ohne die sonst gern genommenen Ergänzungen wie Zwiebelsenf oder Ajvar, denn jedes Trümmerl sollte nur für sich selbst sprechen. In einer kurzen Einführung zur Sensorik erläuterte DI Manfred Winkler die ideale Annäherung an einen Testkandidaten. Denn während der Geschmack natürlich die wichtigste Komponente des kulinarischen Erlebnisses ist, spielen auch Aussehen, Duft und die ideale Haptik im Biss durchaus ihre Rolle.

Sieg geht an die TANN Marchtrenk

Nach eingehender Betrachtung, intensivem Beschnuppern und meditativem Zerkauen stand der Sieger fest: Die Spar Ćevapčići von TANN Marchtrenk überzeugten die Jury schon in der ansprechenden Farbe und Haptik, waren saftig im Anschnitt und am Gaumen und erfreuten mit würzigem Duft, Zwiebel-, Knoblauch und Majorannoten und einem Pfefferl im Abgang. Knapp dahinter folgte die Wiener Variante von Radatz. Sie punktete bereits optisch mit ihrer rustikalen Erscheinung und kräftiger Würze bei fleischigem Mundgefühl. Als Dritte auf dem Stockerl fanden sich die Ćevapčići von Fleischermeister Rudolf Ströbel aus Tullnerbach. Er traf den Geschmack der Jury mit einem Produkt, das sich am Gaumen „geschmeidig“ zeigte und sanftwürzige Aromatik mit Noten von Zwiebeln und Kräutern mit ansprechend frischem Fleischgeschmack verband.

Auch dahinter werden sich noch einige Kandidaten ausgezeichnet grillen lassen, blieb doch die Note innerhalb der Top 12 klar über der Durchschnittsnote 3. Am hinteren Ende des Feldes fehlte es häufig an der idealen Konsistenz. Zu fein gewolftes Material mit zu viel Bindung zeigte sich zuweilen zäh. Auch einfallslose Würzungen, zu viel Salz oder ein generell unharmonisches Verhältnis von Fleisch- zu Würzaromen führte zu Punkteabzügen.

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