Ach was wäre das doch alles einfach: da fließen in direkter Nachbarschaft zwei Biere aus den Hähnen, die so sehr unterschiedlich gar nicht sind. Beide perlen im Glas, beide sind Schönheiten und beide sind obergärig. Das eine blond, das andere brünett.
Beide haben sie um die fünf Volumen-Prozent Alkohol und werden gerne und typisch aus 0,2-l-Gläsern getrunken: Kölsch aus der schlanken Stange, Alt aus ihrer eher bauchigen Schwester. Beide gelten unter Kennern und im Biermarkt als deutsche Spezialitäten, die auf bestimmte Regionen im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen konzentriert sind. Um Köln, den Westerwald und die Eifel das eine, um Düsseldorf und den linken Niederrhein das andere. Beide haben sie in diesen bierschweren Zeiten Absatzprobleme und um beide wird viel Kult gemacht. Kölsch und Alt. Doch anstatt zusammenzurücken, können sich das Helle und das Dunkle nicht riechen. Seit Jahren schon nicht.
Werfen wir einen Blick in den Markt: Bier braucht Heimat, sagt man und entsprechend sind Kölsch wie Alt in ihren NRW-Heimatmärkten stark. In bestimmten Regionen sogar stärker als Pils. Außerhalb der NRW-Region Nordrhein, in München z. B. oder in Hamburg, in Berlin oder gar in Österreich, sind die rheinischen Obergärigen eher selten bis gar nicht im Angebot, höchstens mal als wohlschmeckende (und fast schon exotische) Spezialitäten, um die sich vor allem die „Ständigen Vertretungen“ (StÄV) oder in München-Schwabing das „Cöllner im Paragraph“(CIP) verdient gemacht haben.
Und während der Altmarkt mehr und mehr zusammengebrochen ist, hält sich Kölsch wacker in der Bierszene. Blond schlägt brünett, sodass jüngst sogar mit Frankenheim eine klassische Altbrauerei die obergärige Biergemeinde mit einem blonden Alt überraschte. Mehr als ein flüssiger Werbegag ist das helle Alt aber wohl nicht.
Der Kölsch-Markt mit insgesamt über gut 2,2 Millionenhl (2012) wird bestimmt von großen und qualitätsstarken Monomarken wie Reissdorf, Früh und Gaffel. Sie sind privat geführt und erfolgreich im Markt. Auch Mühlen- und Dom-Kölsch mischen – mittlerweile eher mager – im Kölsch-Konzert mit. Was auch das „Haus Kölscher Brautradition“(ehemals Kölner Verbund) – zur Radeberger Gruppe gehörig – tut, das mit seinen kölschen Leitmarken Gilden, Sion, Peters und Küppers Marktstärke zeigt. Als Hausbrauer ist vor allem Päffgen von Bedeutung.
Mit konkreten Zahlen sind die Kölsch-Brauer durch die Bank zurückhaltend. Unter dem Strich hört man im Markt, dass allgemein als „nicht berauschend“ angesehene Bierjahr 2012 auch die „kölsche Talfahrt“ weiterging – rund 70.000 „Hektos“ sind erneut auf der Strecke geblieben.
Dennoch: Kölsch ist Kult, und kölsche Lebensart ist überaus beliebt. Was man nicht nur im Karneval sieht und erlebt. Köln, die nationale Bier-Hauptstadt, gilt als eine der lebenswertesten Städte Deutschlands, der Dom als UNESCO-Weltkulturerbe ist gar für ganz Deutschland die Sehenswürdigkeit Nr. 1 (vor Schloss Neuschwanstein in Bayern). „Mir drinke (trinken) Kölsch und schwaade (sprechen) Kölsch“, heißt es so nett rund am Rhein. Kölsch ist die einzige Sprache, die auch trinkbar ist. „Drink dochene mit“! Kölsch ist, das gilt als ausgemacht, positiv besetzt:rheinische Fröhlichkeit und kölscher Witz.
Aber: Die kölsche Bier-Spezialität – im Maßrausch der bierseligen Bayern gerne als Leichtbier im Reagenzglas verspottet – kommt über die eigene Heimat kaum hinaus. Anders als z. B. Weizen (Weißbier) schafft es das helle Obergärige nicht, als nationale Spezialität Einzug in die Märkte und Gastronomien zu halten. Das Zeug dazu hätte Kölsch: das spritzige Vollbier ist süffig und bekömmlich. Wer es einmal probiert hat, bleibt der Sorte (vielleicht auch der Marke) treu. Warum Kölsch nicht in die nationalen Puschen kommt, bleibt ein Geheimnis: mag sein, dass die Visionen fehlen. Mag sein, dass das Kapital fehlt. Mag auch sein, dass der kölsche Klüngel eine überregionale Bier-Bedeutung nicht in den Griff bekommt.
Überdurchschnittlich oft fließt Kölsch in Fässer – der Anteil liegt hier bei hohen rund 45 Prozent. Kölsch wird in Köln gebraut und sonst nirgends, so bestimmt es die Kölsch-Konvention. Einzige Ausnahme: Zunft Kölsch kommt aus dem Bergischen, von der Erzquell Brauerei in Bielstein, die derzeit im Übrigen auch Dom-Kölsch braut. Gegen den qualitativen Herkunftsschutz hatten im Übrigen Brüssels Eurokraten nichts einzuwenden – so konnte die Konvention auch ein gewisses „Jeföhl“ von Zusammengehörigkeit stärken: der Kölner hält seinem Kölsch die Stange!
Aber: Es ziehen Wolken über dem Kölsch-Himmel heran. Zwar stellen die drei großen Privatbrauer Reissdorf, Früh und Gaffel, die als unverkäuflich gelten, rund die Hälfte (ca.1,4 Mio. hl) der jährlichen kölschen Gesamtproduktion (20 Marken) her. Aber ante portas stehen mit Bitburger, möglicherweise auch mit Krombacher und Warsteiner, Brau-Größen, denen ein großer Durst auf die helle obergärige Spezialität nachgesagt wird. Auch Billig-Brauer Oettinger wartet wohl nur auf seine Chance, in Köln einsteigen zu können. Ihnen in die Hände spielen könnte, was der Chef der Dom-Kölsch-Brauerei in einem Interview mit dem Kölner Boulevardblatt „Express“ einst so kundtat: Viele Brauereien würden bald vor dem finanziellen Aus stehen. Er gehe davon aus, dass sich die kleineren Brauereien nicht mehr lange halten könnten: „Bundesweit wird keine Brauerei unter einer Million Hektoliter überleben.“
Gerade Dom Kölsch könnte aber, so hört man, so oder so ein Kaufkandidat (mit gutem Namen) sein. Sicher ist: es ist nach wie vor Bewegung in dem Markt, bei dem auch interne kölsche Lösungen nicht ausgeschlossen sind. Dennoch ist nicht wirklich geklärt, wie die unendliche und schmuddelige „Personal-Klamotte“ um viel Geld und die Gaffel-Spitze weiter und zu Ende geht. Auch was letztlich mit dem Kölner-Verbund passiert, ist nicht wirklich sicher. Insider sagen: „Es darf alles passieren. Nur ein Preiskrieg wäre eine richtige Katastrophe für Kölsch.“ Kölsch, bleibt, das ist sicher, in aller Munde ...
>> Die TOP 7 der Kölsch-Marken
Reissdorf rd. 620.000 hl
Gaffel rd. 400.000 hl
Früh rd. 380.000 hl
Gilden
Sion
Dom
Zunft
Gastro-Hitliste:
Gaffel
Reissdorf und Früh
(Alle Zahlen: eigene Quellen)
Einige wichtige Kölsch-Marken im Kurz-Porträt
Sion Kölsch
Sion Kölsch ist die Top-Marke vom „Haus Kölscher Brautradition“ (HKB). Als Bierspezialität aus der Kölner Altstadt kann Sion Kölsch auf eine über 650-jährige Brauhaustradition zurückblicken. Sion verfügt über eine ausgeprägte Gastronomiepräsenz. Mit einem Fassbieranteil von rund 90 Prozent ist Sion Kölsch die drittgrößte Fassbiereinzelmarke am Kölschmarkt. Sion Kölsch wird als einzige Marke aus dem HKB-Portfolio auch überregional angeboten.
Eine Institution ist dabei das Brauhaus Sion in der Kölner Altstadt. Darüber hinaus vollzieht Sion Kölsch den Brückenschlag vom Rhein bis an die Spree, wo es bereits in annähernd 100 ausgewählten Gastronomieobjekten der Hauptstadt heimisch geworden ist.
Gilden Kölsch
Gilden Kölsch ist im HKB-Verbund vor allem regional aufgestellt mit Schwerpunkt im Handel. Als Synonym für kölsche Lebensart wird Gilden Kölsch das Kölsch der Veedel und der Kölschen positioniert. Die Kampagne „86 Veedel. Ein Kölsch“ betont, dass Gilden Kölsch aus dem Herz und der Seele Kölns kommt.
Küppers Kölsch
Innerhalb des HKB-Verbunds ist Küppers Kölsch die am weitesten distribuierte Kölschmarke mit Schwerpunkt im Handel.
Sester Kölsch
Im Preiseinstiegssegment angesiedelt, stimmt die Entwicklung der Marke Sester Kölsch kontinuierlich optimistisch, lobt der Verbund. Der markenindividuelle Kasten sorge im Handel für zusätzliche Absatzimpulse.
Peters Kölsch
Die kleine, aber feine Marke Peters Kölsch, ursprünglich in Monheim am Rhein zu Hause, überzeugt durch ihre traditionelle Brauhaus-Kompetenz. Das Aushängeschild der Marke ist das gleichnamige Brauhaus in der Kölner Altstadt. Für den Hausgebrauch ist Peters Kölsch in der kultigen Bügelverschlussflasche erhältlich.
Päffgen
Päffgen wird in der alten Kölner Hausbrauerei, der gleichnamigen Brauerei in der Friesenstraße, in der Altstadt in der Nähe der Kölner Ringstraßen gebraut und dort im Brauhaus auch größtenteils konsumiert. Die Marke besteht seit 1883.
Gaffel
Der Name Gaffel Kölsch leitet sich von den Kölner Gaffeln ab, die im Jahre 1396 der politische Arm der Zünfte und der Handelsherren in Köln gewesen waren. 1908 übernahmen die Gebrüder Becker die Brauerei, deren Nachkommen mittlerweile böse zerstritten sind und die Brauerei, so sehen es Marktbeobachter, nahe an den Abgrund führen könnten. Gaffel, die immer wieder interessante Marketingaktivitäten auflegen, ist der Gastronomie- und Fassbier-Primus in Köln. Eine typisch kölsche Gastro-Institution ist das traditionelle Gaffel-Haus am Alter Markt. Auch das relativ neue „Gaffel am Dom“ will mit seiner teuren Lage direkt an Hauptbahnhof und Dom auf „jootkölsch“ punkten.
Früh
Wer mit dem Zug im Kölner Hauptbahnhof ankommt, fällt buchstäblich auf der Domplatt ein das Früh‘sche Brauhaus, dem wohl bekanntesten Kölsch-Tempel der Domstadt. Der aus einer Brühler Brauerfamilie stammende Peter Josef Früh gründete 1895 das Aposteln-Bräu. Der benötigte Dampfkessel war bald genehmigt – die Ausschankkonzession ließ jedoch auf sich warten: Mehrfach wandte sich Peter Josef Früh an die Kölner Verwaltung, die ihm jedoch aus Gründen des „fehlenden Bedarfs“ die Konzession zunächst verweigerte. Kurz nach der Jahrhundertwende startete das nächste Projekt. Im Gebäude des ehemaligen „Central Theaters“ bzw. der Gaststätte „Schützenliesel“, Am Hof 12, errichtete Peter Josef Früh sein neues obergäriges Brauhaus: das Cölner Hofbräu P. Josef Früh. Skeptiker fragten: Kann in einem Neubau direkt am Dom die bekannte und geliebte kölsche Brauhausatmosphäre entstehen? Die kritischen Stimmen waren jedoch bald verstummt. Schon bald wurde das 1904 eröffnete Brauhaus eine Wallfahrtsstätte für Kölner und Gäste – sie ist es bis heute geblieben. Früh wird heute in fünfter Generation geführt und ist im Markt mit den pfiffigsten Werbesprüchen präsent. Früh ist seit einiger Zeit auch mit einem Kölsch-Radler auf dem Markt.
Reissdorf
Reissdorf ist Kölsch-Marktführer am Rhein und eine der wenigen Brauereien in Deutschland, die im reinen Bier-Segment in den letzten Jahren zulegen konnten.Neben der Firmengründung 1894 im urkölschen Severinsviertel und der fast totalen Zerstörung der Brauerei im Jahre 1945 stellte die Verlagerung des Brauereigeländes in den Süden der Domstadt nach Köln-Rodenkirchen 1998 das einschneidende Ereignis für das Unternehmen und für seine Mitarbeiter dar. Ein Blick zurück überrascht: Gegründet 1894 als „Obergärige Brauerei Heinrich Reissdorf, Cöln“ braute das Traditionshaus einige Jahre vor und nach dem 2. Weltkrieg auch untergärige Biere wie Pils, Märzen und Export. Erst in den nächsten Jahrzehnten wurde Reissdorf Kölsch das „Nationalgetränk der Kölner“. Nach dem Umzug gehört die Privat-Brauerei H. Reissdorf heute mit zu den modernsten Braustätten in Köln und Umgebung und hat den nötigen Platz, um weitere Kapazitäten zu installieren. Seit vielen Jahren ist Reissdorf mit konsequenter Fachhandelstreue, Preis- und Vertriebspolitik die führende Privat-Brauerei in Köln. Bekannteste Brauhäuser von und mit Reissdorf Kölsch sind das Haus Unkelbach auf der Luxemburger Straße, das neue (alte) Brauhaus in der Severinstraße sowie das Haus am kleinen Griechenmarkt.
Zunft
Zunft Kölsch wird – weil es die Tradition erlaubt – nicht in Köln, sondern im Oberbergischen rund 50 Kilometer von der Domstadt entfernt in Bielstein gebraut. Die dortige Erzquell-Brauerei entstand 1976 aus der Fusion der Bielst einer mit der Siegtal-Brauerei. Zunft ist auf dem Markt auch mit einem Mix vertreten: Kölsch-Cola, genannt Black.