Die Klassiker unter den Bieren

Ein Artikel von Karin Vouk | 11.11.2020 - 15:00

Oft werden sie als klassisch bezeichnet, dabei ist ihre Geschichte eine sehr junge im Vergleich zur langen Historie, die Bier hat. Erst seit knapp 200 Jahren werden bewusst untergärige Biere gebraut. Welche Entwicklungen und Erfindungen notwendig waren, bis die heute beliebtesten Bierstile entstanden, erzählt Di­plom-Braumeister und Autor Günther Thömmes in seinem neuesten Roman. Begleitend dazu hat die GENUSS.Bier­redaktion zu einer Verkostung der besten Pils-Biere sowie der besten hellen und dunklen Lagerbiere in Österreich aufgerufen – doch dazu später.

Tage des Hopfens, Tage des Zorns

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Die verdienten Plätze 1 bis 8 (v.l.n.r.). © Christian Kurz

Diesen August erschien der von vielen Lesern sehnsüchtig erwartete fünfte Teil der Bierzauberer-Sage. Dieser Teil knüpft direkt an Teil vier an, in dem es um die Anfänge der Lagerbiere geht. Die aktuelle Geschichte berichtet von den Techniken des Bierbrauens, die durch neue Erfindungen immer weiter verfeinert wurden. Auch wenn nicht alles auf historischen Tatsachen beruht, bekommt man einen sehr guten Überblick über diesen Bereich der Geschichte des Biers. Das Ganze in einen Roman zu verpacken, hat natürlich den Vorteil, dass das Lesen um vieles kurzweiliger ist, als es bei rohen historischen Fakten der Fall wäre. Zeitlich werden die Jahre 1862 bis 1890 und damit auch mehrere Weltausstellungen, darunter London, Paris und Wien, behandelt. Auch die Gründung von Deutschem und Bayerischem Brauerbund fällt in diese Zeit. Da es sich um einen Roman handelt, wurden ebenso historische Ereignisse in diese Zeit verlegt.

Die Erfindung der Kühlmaschine durch Carl von Linde im Jahr 1871 nimmt im Buch natürlich einen wesentlichen Teil ein. Aber auch das Surrogat-Verbot, erst später unter dem „Marketingbegriff“ Reinheitsgebot bekannt, kommt nicht zu kurz. Dabei geht es nicht nur da­rum, Biere mit höherer Qualität zu erzeugen, sondern auch Billigimporte aus Großbritannien zu erschweren. Die zentrale Rolle nimmt diesmal die Familie Sedlmayr ein, die Aktivitäten der Familie Dreher rücken im Gegensatz zu Teil vier mehr in den Hintergrund. Ein Unterschied zwischen den beiden Familien, wenn es um den Expansionskurs der Brauereien geht, ist sehr gut herausgearbeitet. Setzte die Familie Sedlmayr darauf, ihr Stammhaus in München zu erweitern, forcierten die Drehers mehrere Standorte im k. u. k. Reich. Ein Umstand, der ihnen viel später noch zum Verhängnis werden sollte.

Das Finale der Bierzauberer

Zurück zu den Erfindungen dieser Zeit. Gekühlte Eisenbahnwagen machten Bierexporte ohne Qualitätsverlust möglich; deren Entwicklung war wie die Erfindung der Kühlmaschine nur durch die finanzielle Beteiligung von Sedlmayr und Dreher möglich. Die Hopfensorte Fuggle/Golding, die in Kent gezüchtet wurde, ist die Urmutter vieler heute gebräuchlicher Sorten. Aber auch bei der Hefe wurden große Fortschritte gemacht. Die bei der Brauerei Carlsberg in Kopenhagen erstmals entwickelte Reinzuchthefe nennt man heute „Saccharomyces carlsbergensis“, sie wurde kostenfrei an befreundete Brauer, zu denen auch Sedlmayr gehörte, weitergegeben. Ein nicht unwesentlicher Nebenschauplatz sind die Arbeitsbedingungen der Brauereiarbeiter in Großbritannien und die Unterschiede zu Deutschland. Was nicht im Buch vorkommt, ist die Tatsache, dass sich später auch in Österreich die Vorläufer der heutigen Gewerkschaften in der Arbeiterschaft der Brauereien formiert haben.
Das war das zumindest vorläufige Ende der Bierzauberer-Saga. Es bleibt zu hoffen, dass Herr Thömmes noch Themen für ein bis zwei weitere Romane findet und die Saga fortgesetzt wird.

GENUSS.Lagerbier-Verkostung: Die Besten der Besten

Das Verkostungsthema ist diesmal sehr umfangreich. Es reicht von hellen Lagerbieren über Märzen,
Wiener Lager und dunkle Lagerbiere bis zu Pils.

  • HELLES LAGERBIER
    Bei den hellen Lagerbieren hat sich besonders das Bier der Brauerei Fohrenburger hervorgetan. Das Braumeister Bio Hofbier erreichte den zweiten Platz. Bei diesem Bierstil sind auch Vertreter aus Bayern dabei. In Österreich verschwimmen die Bierstile von Hell und Märzen etwas.
  • WIENER LAGERBIER
    Bei den Wiener Lagerbieren erreichte die Mutter dieses Bierstils, das Schwechater Wiener Lager, den siebenten Platz und ist damit das beste Wiener Lager bei dieser Verkostung. Der Bierstil wurde zum 175-jährigen Jubiläum vor fünf Jahren an seiner Geburtsstätte in Schwechat wiederbelebt.
  • MÄRZEN
    Beim Märzen hat die Mohrenbrauerei mit ihrem Mohren Pfiff das beste Bier zu diesem Stil eingereicht. Es ist ein recht heller Vertreter, der sich in Österreich generell farblich von strohgelb bis bernsteinfarben erstreckt.
  • ZWICKEL
    Beim Zwickel hat wieder das Schwechater Zwickel überzeugt, es war zwar nicht das einzige unfiltrierte Bier bei der Verkostung, aber das einzige, das ausdrücklich als Zwickel und mit der dafür typischen Trübung an den Start ging.
  • PILS
    Das Pils wirkt durch seinen schlanken Körper und seine betonten Hopfenaromen meist schlicht und elegant. Der Schein trügt hier jedoch, denn Pilsbiere gehören zur Oberklasse der Lagerbiere und verzeihen nicht den kleinsten Fehler. Ein Brauer benötigt viel Erfahrung und Können, um ein perfektes Pils zu brauen. Gelungen ist dies der Brauerei Raschhofer mit ihrem Pils, welches das beste dieses Stils bei der Verkostung war.
  • SPEZIAL
    Beim Spezial hat wieder eine Brauerei aus Vorarlberg die Nase vorn, das Fohrenburger Spezial. Der Bierstil zeichnet sich durch eine etwas höhere Stammwürze aus als Märzen und Helles, meist auch durch eine etwas deutlichere Hopfennote.
  • DUNKLES LAGER
    Der Bierstil dunkles Lager hat diesmal den überraschenden Gesamtsieger hervorgebracht: Das Budweiser Budvar – Dark Lager hat die Jury besonders überzeugt. Dieser Bierstil ist vielseitig, er reicht von Doppelmalzbieren, die viele von uns noch liebevoll „Omabiere“ nennen, bis zu den neueren Vertretern, die vorwiegend schlank sind, was die Röstaromen mehr in den Vordergrund stellt. Im Gegensatz zu den österreichischen Kandidaten ist hier bei den böhmischen eine mild-buttrige Note erlaubt. Es gab sogar einen Vertreter, der als Starkbier fast schon die Stärke von einem Bock erreichte.

Alle Verkostungsergebnisse aus dem GENUSS.Magazin 05-6/2020 stehen Ihnen gleich hier zum Download zur Verfügung!

GENUSS.Download Lagerbierverkostung

GENUSS.Kostjury

Verkostungsleiterin: Karin Vouk, Biersommelière und Beerkeeper [Master Level]
VerkosterInnen: Conrad Seidl, Bierpapst, Andreas Urban, Dipl. Braumeister, Dipl. Biersommelier und Präsident Bund österreichischer Braumeister und Brautechniker, Franz Laaber, Braumeister, Michael Kolarik-Leingartner, Brauer und Dipl. Biersommelier, Wolfgang Reisenbichler, Dipl. Biersommelier, Manuel Binder, Dipl. Biersommelier, Daan de Val, Biersommelier, Thomas Müllner, Biersommelier, Kevin Reiterer, Organisator Craft Bier Fest, Ursula Tlapak, leidenschaftliche Bierkonsumentin, Maria Hubmann, leidenschaftliche Bierkonsumentin, Odo Steuer, leidenschaftlicher Bierkonsument, Johannes Horak, Schüler des Aufbaulehrgangs der Gastgewerbefachschule Judenplatz in Wien 1.