Nicht Fisch, nicht Fleisch

Ein Artikel von Angelika Kraft | 05.05.2015 - 00:05
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© Shutterstock

Warum kauft jemand, der aus subjektiv triftigen Gründen auf den Verzehr von tierischen Produkten verzichtet, etwas, das Namen wie „Salami“, „Schinken“ oder „Leberwurst“ trägt und auch optisch eindeutig seine tierische Vorlage nachahmt?
Diese Frage stellte ich jenen Verkäufern der vegetarischen (und zum Teil sogar veganen) Supermärkte, in denen ich das Sortiment für unsere bevorstehende Verkostung besorgte. Und vor allem: Werden diese Produkte überhaupt gekauft?

Ich erfuhr, dass sich vegetarische Wurst aus Tofu oder Seitan über einen ganz ordentlichen Umsatz freuen darf, die Gründe für den Kauf sind dabei jedoch ganz unterschiedlich: Manche Kunden kaufen sie, weil sie zwar auf das Tierleid, nicht aber auf den Fleischgeschmack verzichten wollen. Einige vegetarisch lebende Eltern greifen zu fleischloser Wurst, weil sie ihren Kindern in der Schule ein „Wurstbrot“ mitgeben möchten. Und wiederum andere sind eigentlich Fleischesser, wollen aber einfach einmal etwas Neues ausprobieren. Die Vegane Gesellschaft Österreich sagt dazu: „Das Verpacken von Nahrung mittlerer Konsistenz in Wurstform ist eine der einfachsten Methoden. Fleischesser haben kein Patent darauf. Vegetarier und Veganer werden ihr Tofu nicht in Form einer Sonnenblume auf den Markt bringen, nur um nicht in den Verdacht zu kommen, eigentlich doch Fleisch essen zu wollen“.

Längst keine Nische mehr

Laut einer Ifes-Studie aus dem Jahr 2013 leben neun Prozent aller Österreicher vegetarisch, manche davon sogarvegan – das sind immerhin stolze 765.000 Menschen. Auch einige internationale Promis verzichten – zum Teil sehr medienwirksam – auf den Verzehr von tierischen Produkten. Bryan Adams, Richard Gere und Madonna sind nur einige davon. Die vegetarische und vegane Lebensweise ist also längst keine Nische mehr. Darauf reagieren auch heimische Supermarktketten. Spar etwa mit der Eigenmarke „Veggie“, der Rewe-Konzern mit „Vega Vita“. Alleine in Wien gibt es zahlreiche Supermärkte und Restaurants, die ausschließlich tierfreie Produkte anbieten (siehe Kasten „Adressen“) und von 13. bis 15. November 2015 findet mit der „Vegan Planet“ zum zweiten Mal eine Publikumsmesse für vegane Ernährung, Gesundheit und Nachhaltigkeit im Museum für angewandte Kunst in Wien statt. Vegetarische Kochbücher boomen wie noch nie und fleischlose Kochkurse sind meist die ersten, die ausgebucht sind. Ab 2015/2016 wird erstmals sogar eine Zusatzausbildung zum vegan-vegetarischen Koch in Berufsschulen angeboten. Die späteren Lehrkräfte wurden von keinem Geringeren als dem bekannten Haubenkoch Siegfried Kröpfl ausgebildet, der sich selbst privat vegan ernährt und mit seiner Tochter schon das zweite vegane Kochbuch veröffentlicht hat (siehe Kasten „Buch-Tipps“).

Leben Vegetarier gesünder?

Ob die vegetarische oder die fleischige Lebensweise gesünder ist, ist umstritten. Glaubt man einer Studie der Med-Uni Graz, die Anfang 2014 erschienen ist, leben Vegetarier alles andere als gesund. Demnach haben siehäufiger Herzinfarkte, leiden öfter unter Krebs, Diabetes und Allergien und zeigen mehr psychische Störungen als Fleischesser. Fragt man Vegetarier, erhält man freilich eine völlig andere Antwort ... Ein Trend, der sich stetig entwickelt, ist jener der Flexitarier oder Teilzeit-Vegetarier, also Menschen, die ihren Fleischkonsum deutlich reduziert haben und zumindest an einigen Tagen der Woche völlig auf tierische Produkte verzichten. An jenen Tagen, an denen Fleisch auf den Teller darf, legen Flexitarier aber Wert auf höchste (Bio-) Qualität. Eine Regelung, ab wann jemand als Flexitarier gilt, gibt es nicht. Der gesunde Genuss soll im Vordergrund stehen. Ob Namenshype oder gelungener Kompromiss – entscheiden Sie selbst ...

Fleischlos im Praxistest

Fleischlos im Praxistest Nun zurück zu unserer Verkostung, die sich als äußerst spannend gestaltete – schon alleine aufgrund der Mischung aus überzeugten Vegetariern, Flexitariern und bekennenden Fleisch(fr)essern in der Jury. Ernährungswissenschaftlerin Eva Derndorfer etwa verzichtet seit 20 Jahren auf Fleisch. Fisch isst sie gelegentlich, sie ist also genau genommen eine Pescetarierin. Aufgehört, Fleisch zu essen, hat sie, weil es ihr sowieso nie besonders geschmeckt hat. Schon als Jugendliche bevorzugte sie fleischlose Gerichte „und wenn einem vegetarisches Essen besser schmeckt, gibt es wirklich keinen Grund, Fleisch zu essen.“ Eine vegane Lebensweise kommt für sie aber nicht in Frage, weil sie als Käsesommelière niemals auf Käse, aber auch nicht auf Honig oder Eier verzichten könnte. Auch die zweite Vegetarierin in der Runde, Doris Neubauer, hat bereits als Teenager aufgehört, Fleisch zu essen. Auch bei ihr war es so, dass ihr Fleisch einfach nicht sonderlich geschmeckt hat. Anfangs aß sie noch Fisch, mittlerweile verzichtet sie aus ethisch-moralischen Gründen auch darauf, lebt die meiste Zeit des Jahres vegan. Abgegangen ist ihr seit damals nichts. „Ich kann mir keine andere Lebensweise mehr vorstellen. Ich liebe Obst und Gemüse, darüber hinaus viele Hülsenfrüchte, Körner, Getreide – es gibt so viel zu entdecken. Wie der viel zitierte ´Verzicht´ fühlt sich das jedenfalls nicht an.“ Als Teilzeit-Vegetarierin würde sich Yvonne Böhm bezeichnen. Seit einer zweiwöchigen Ayurveda-Kur in Indien, in der Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte streng verboten waren, entscheidet sie sich seltener, dafür aber in hoher Qualität für Fleisch. Komplett verzichten möchte sie darauf jedoch nicht. Ähnlich sieht es Dagmar Gross. Immer wieder verzichtet sie für einige Tage oder Wochen auf Fleisch. „Aber nicht, weil ich es mir vornehme, sondern einfach, weil es sich so ergibt.“ Auch sonst isst sie Fleisch maximal zwei Mal pro Woche, Fisch etwa alle 14 Tage. Hätte sie keine Möglichkeit, qualitativ hochwertige Produkte zu beziehen, würde sie sofort aufhören, Fisch und Fleisch zu essen. Dass sich Johannes Rottensteiner, Chefredakteur des Magazins fleisch.pur, nicht vorstellen kann, gänzlich auf Fleisch zu verzichten, überrascht wohl wenig. Seiner Meinung nach sind Fisch und Fleisch einfach fixer Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung. Somit kommt bei ihm auch mindestens vier Mal in der Woche Fleisch und zwei Mal Fisch auf den Teller. In dieser illustren Runde wurden 23 verschiedene fleischlose Wurst- und Schinkenprodukte verkostet.

Adressen Supermärkte
Basic: 2 Filialen in Wien und Salzburg,
www.basicbio.at
Biofeld: 5 Filialen,
www.biofeld.co.at
Denns: 17 Filialen,
www.denns-biomarkt.at
Maran Vegan:
1060 Wien, Stumpergasse 57,
Tel.: 01 5954900,
www.maranvegan.at
Veganz:
1040 Wien, Margaretenstr. 44,
Tel.: 0664 88928820,
www.veganz.at

Restaurants
An-Alapanka-Ma:
7562 Eltendorf, Bobisberggasse 20,
Tel.: 03325 22544,
www.an-alapanka-ma.eu
Delicious:
9020 Klagenfurt, Gabelsbergerstraße 14,
Tel.: 0680 2232130,
www.deliciousfood.at
Gasthaus Schillinger:
2002 Großmugl, Hauptstraße 46,
Tel.: 02268 6672,
www.schillinger.co
Loving Hut: 4 Filialen,
www.lovinghut.at
P´aa:
4020 Linz, Altstadt 28,
Tel.: 0732 776461,
www.paa.cx
Rupps Bierlokal-Pub:
1050 Wien, Arbeitergasse 46,
Tel.: 01 5452284,
www.rupps.at
Schillingers Swing Kitchen:
1070 Wien, Schottenfeldgasse 3,
www.swingkitchen.com
Tischlein deck dich:
8010 Graz, Schmiedgasse 23a,
Tel.: 0316 269888,
www.tischlein.net
Vegetasia:
1030 Wien, Ungargasse 57,
Tel.: 01 7138332,
www.vegetasia.at
Veggie-Bräu:
2000 Stockerau, Schulgasse 8,
Tel.: 02266 72604,
www.veggie-bräu.at
Yamm:
1010 Wien, Universitätsring 10,
Tel.: 01 5320544,
www.yamm.at

Infostellen
Österreichische Vegetarier Union:
www.vegetarier.at
Vegane Gesellschaft Österreich:
www.vegan.at

Buch-Tipps
Melanie und Siegfried Kröpfl: „Wir kochen vegan“,
192 Seiten, ISBN: 978-3-99005-181-8, Krenn-Verlag, € 19,95

Melanie und Siegfried Kröpfl: „Wir backen vegan“,
176 Seiten, ISBN: 978-3-99005-212-9, Krenn-Verlag, € 19,95

Ovo oder Lacto?

    Vegetarier essen keinen Fisch und kein Fleisch. Pescetarier verzichten nur auf Fleisch, Ovo-lacto-Vegetarier verzichten auf Fisch und Fleisch, gestatten aber Eier und Milch. Lacto- Vegetarier verzichten auf Eier, nicht aber auf Milchprodukte und Ovo-Vegetarier vermeiden Milchprodukte, essen aber Eier.Flexitarier sind Teilzeit-Vegetarier. Sie verzichten einzelne Tage in der Woche auf tierische Produkte.Veganer lehnen Fisch, Fleisch, Eier und Milch ab sowie alle anderen tierischen Produkte (Honig, Wolle, Leder, Seide).Rohköstler sind meist Veganer, die sich nur von pflanzlichen Lebensmitteln ernähren, die noch dazu nicht erhitzt wurden, also zum Beispiel Obst, Nüsse, Samen und Gemüse.Frutarier essen ebenfalls nur pflanzliche Produkte, zusätzlich darf die Pflanze nicht beschädigt werden. Sie ernähren sich daher nur von Pflückbarem wie Obst, Samen und Nüssen. Knollen, Blätter und Wurzeln sind verboten.

Verkostungsinfo

Im Vorfeld der Verkostung werden die Produkte anonym im österreichischen Lebensmittelhandel eingekauft. Eine Vollständigkeit aller zu diesem Thema erhältlichen Waren kann jedoch nicht garantiert werden. Die Produkte werden auf neutrale Schälchen verteilt und mit Nummern versehen („Blindverkostung“). So ist garantiert, dass kein Verkoster weiß, welche Marken getestet werden, um Markenimage und persönliche Vorlieben auszuschließen. Die Jury besteht aus einem ausgewogenen Personenkreis aus dem gastronomischen Berufsfeld, ausgebildeten Verkostern und privaten Genießern. Sie beurteilt jedes Produkt nach Optik, Geruch und Geschmack, vermerkt ihre Eindrücke und vergibt null bis maximal fünf Punkte. Erst nach Abschluss der Verkostung erfolgt die Auflösung. Schließlich werden alle Punkte zusammengezählt und ein Durchschnitt pro Produkt errechnet. Bitte beachten Sie, dass es sich bei den Ergebnissen um die subjektiven Eindrücke der Verkoster handelt. Vorbehaltlich Satz- und Druckfehler.