Je oller, desto doller

Ein Artikel von Cem Angeli | 10.11.2011 - 16:10
1320941008.jpg

Ästhetischer Anblick.So ein Bügelverschluss macht den zukünftigenBiergenuss oft erst sichtbar. © Fotolia

Feierlich und doch gesellig, kindlich übermütig und doch auf eine gewisse Art beruhigend, weil es jederzeit wiederholbar ist: Das Öffnen eines Bügelverschlusses ist quasi eine rituelle Handlung, je nach Situation. Da läuft einem ja von dem Frischeversprechen des knackigen Öffnungsvorgangs und dem sich verbreitenden Duft des Inhaltes das Wasser im Munde zusammen – vorausgesetzt, der Klang stimmt. Doch Plopp ist nicht gleich Plopp. Optimal ist ein satter, trockener Knall, ein Plopp mit einem hellen Nachklang eben, inklusive des leicht metallischen Klirrens – ja, genau so muss ein Bügelverschluss aufspringen. Die sehr praktische Seite eines solchen: Größere Gebinde werden möglich. Denn Kronkorkenbier öffnet man nur ein Mal und der Inhalt muss immer gleich verbraucht werden. Das Öffnen und Verschließen eines Bügelverschlusses kann allerdings beliebig oft von Hand erfolgen und bedarf außerdem keines Hilfsmittels; wie beispielsweise eines Flaschenöffners.

Umbrüche in der Lebensmittelindustrie

Vor der Erfi ndung der Bügelfl asche gab es neben Flaschen und anderen Behältnissen aus Ton, Steingut oder Leder seit 1780 bereits Glasfl aschen, zumeist grün und später auch braun, mundgeblasen und bis dato meist mühsam mit Korkzapfen verschlossen. 1772 gelang es Joseph Priestly in England kohlensäurehaltiges Mineralwasser herzustellen, was die klassischen Flaschenproduzenten vor eine Menge Probleme stellte: Aus Steingutfl aschen entwich das Gas durch die Flaschenwand, und bei einfachen Glasfl aschen drückte es die Korken heraus. Das rief eine Reihe von Flaschentypen- Erfi ndern auf den Plan. Bis dann, im Jahr 1844, Henry und Charles Goodyear die Vulkanisierung indischen Gummis gelang und damit eine Voraussetzung für dicht schließende Verschlüsse geschaffen war. Als begonnen wurde, auch Bier in Glasfl aschen abzufüllen, schlug erneut die Stunde für Erfi nder. Die ersten Drahtbügel wurden noch mit einer Manschette am Flaschenhals befestigt, ab 1885 wurden im Flaschenglas zwei gegenüberliegende Vertiefungen angebracht, in welchen der Bügel sicher verankert werden konnte. Damit war im Jahr 1875 der Bügelverschluss erfunden. Somit wurde den bis dahin wenig erfolgreichen Versuchen ein Ende gesetzt, nämlich Ton- und Glasfl aschen mit dem schäumenden Bier transportsicher zu verschließen, denn weder Korken noch Gummizapfen konnten ohne zusätzliche Sicherung mit Schnur oder Draht dem inneren Druck der Kohlensäure im Bier standhalten. In Berlin wurde die Erfi ndung Carl Dietrichs 1877 von Nicolai Fritzner weiterentwickelt, letzterer gründete auch gleich eine Fabrik für Bügelverschlüsse. Dietrich selbst leitete mit seinem Gang zum Patentamt die weitere Entwicklung des Bierfl aschen-Verschlusses ein: Sein Bügelverschluss war ein in der Mitte durchbohrter Stopfen aus Zinnguss, den ein schirmförmiges Stück Gummi umgab. Ein Drahtbügel sorgte für festen Halt am oberen Ende des Flaschenhalses. Dieses Patent entwickelte sich prächtig: Es war bis weit in das 20. Jahrhundert „der“ begehrte Verschluss für die Bierfl asche schlechthin. Weil aber die so gestalteten Flaschen derart attraktiv waren, wurde ein gewisser „Flaschenschwund“ zum Problem. Erst das 1911 eingeführte Pfandrecht entschärfte die Situation. Weniger Erfolg hatte der Bügelverschluss in anderen Ländern: In Österreich-Ungarn war er seit 1899 teilweise sogar verboten, weil eben in Deutschland zahllose Bügel-Flaschen verschwanden und private Bier-Abfüller die leicht wiederverschließbaren Flaschen immer wieder neu befüllten. Trotzdem, obwohl auch Kugel-, Schrauben-, Stöpsel- und Siegel-Verschlüsse auf den Markt kamen, blieb die Erfi ndung von Carl Dietrich lange Zeit die Nummer eins unter den Verschlüssen für die Bierfl asche.

Ein Problem - viele Lösungen

In den USA wurde am 2. Februar 1892 der Kronkorken patentiert. In der Getränkeindustrie setzte er sich aufgrund geringerer Kosten sowie einfacherer Abfüllanlagen und Flaschenreinigung durch. Zum Öffnen bedarf es jedoch – wie schon gesagt – zumeist eines Flaschenöffners. Den Klappdeckelverschluss ließ sich Hermann Grauel aus Magdeburg im Jahr 1877 patentieren. Unter der Bezeichnung Seltersverschluss blieb dieser übrigens bis 1969 der vorherrschende Mineralwasserverschluss. Patentiert 1878, produzierte Friedrich von Siemens ab 1890 Porzellandeckel in allen Größen, die mit werbewirksamen Drucken in vielen Farben versehen wurden. In dieser Zeit entstanden auch Großbierfl aschen (ein-, zwei- und drei-Liter- Flaschen) mit Klappdeckelverschlüssen – Biersiphons genannt. Sie hatten einen meist aus Zinkguss bestehenden, mit Schellen befestigten Metallhenkel. Dann, in den 1980er-Jahren kam es in Deutschland bei Weldebräu zur Einführung der so genannten Aufziehlasche. Damit wurde kein Hilfsmittel mehr benötigt, um eine Bierfl asche zu öffnen. Der Nachteil: Sie lässt sich allerdings auch nicht mehr verschließen. Ab Mitte der 1990er-Jahre wurde der Schraubverschluss als Standardversion eingeführt. Ein Engländer namens Hiram Codd brachte die erfolgreiche Idee des Kugelverschlusses hervor, die er 1872 zum Patent anmeldete. Seine Flaschen wurden von einer Glasmurmel verschlossen, die durch den Gasinnendruck des kohlensäurehaltigen Wassers unter einen Gummiring gepresst wurde. Diese Invention fand in England und in den USA innerhalb weniger Jahre eine große Verbreitung und ist im englischen Sprachraum immer noch als Codd(- neck)-Bottle bekannt. Der innovative Kugelverschluss wird heute noch beispielsweise für das japanische Erfrischungsgetränk Ramune („Limonade“) oder das indische „Banta“ genutzt.

Die Renaissance des Bügelverschlusses

Der deutsche Marktführer bei Bügelverschlussflaschen ist heute die Flensburger Brauerei, in den USA ist das niederländische Grolsch (seit 2008 zur SABMiller-Gruppe gehörig) Spitzenreiter. Hilfreich für die Renaissance der Bügelflasche im deutschsprachigen Raum war unter anderem das Werner-Comic („Wänää“), in dem die einzigartigen Verschlussschaften oft zu sehen sind und in dessen Rahmen sie durch das charakteristische Geräusch beim Öffnen einen neuen Kultstatus erlangten. Damals kam übrigens auch das „Flaschbier“ zu einiger Berühmtheit, weil es als Bölkstoff hektoliterweise in den „Werner“-Comics einfl oss – immer stilgerecht einhändig und mit Plopp geöffnet. Vor allem kleinere Brauereien und Sorten wie Bockbiere oder Porter haben mit ihren sehr oft ausgefallenen und andersartigen Bügelflaschen bei Bierfreunden und Sammlern Erfolg, wodurch in den letzten Jahren die Zahl der Biere mit Bügelverschluss gestiegen ist.

Verkaufserfolg beim Publikum

1320941117.jpg

„Wänää!“. Die „Werner“-Comics eröffneten geradezueine Renaissance in Sachen Bügelbierverschluss. © amazon.de

Die außergewöhnliche Marketing-Rolle, die ein Bügelverschluss beim Verkauf oft spielt, lässt sich dabei sowohl in der Bedeutung des typischen Ploppgeräusches bei den Bieren der Flensburger Brauerei sehen, wie auch daran, dass das Dithmarscher Pils – mit Flensburger Verschluss – vor allem als „Beugelbuddelbeer“ (Bügelflaschenbier) beworben wird. Dieses erhielt sogar öffentliche Förderung durch das Land Schleswig-Holstein und die EU für die Weiterentwicklung des einzigartigen Verschlusses, wobei das Öffnungsgeräusch, das wie „Plopp“ klingen sollte, auch als verkaufsförderndes Detail dargestellt wurde.

Der Bügelverschluss wird optimiert

Wenn zuweilen dann aber das stilvolle Öffnungsgeräusch unterbleibt, sind meist verklebte Dichtungsringe oder verbogene Drahtbügel daran schuld. Wichtig für Brauereien aber sind jedenfalls verbesserte Produktionsabläufe und damit geringere Kosten bei der Abfüllung. Mit moderneren Maschinen und Steuergeräten als bisher lassen sich genau jene Schwachstellen und etwaige Aussetzer in der Sortierung und beim Neubefüllen gänzlich beseitigen, an denen meist der komplizierte Drahtbügel oder eine eigensinnige Gummidichtung am Flaschenhals Schuld tragen. Dabei wurden auch weitere alte Schwachpunkte der Bügelverschlüsse deutlich verbessert. Heute werden Kunststoff- statt Porzellanköpfe verwendet. Die Dichtungsringe können durch thermische Verschweißung fest mit den Kunststoffköpfen verbunden werden, um die Reinigung zu erleichtern und die Dichtheit zu verbessern. Dennoch, die Haltbarkeit der Bügelfl aschen liegt derzeit trotzdem nur ungefähr bei der Hälfte der Befüllungen einer Kronkorkenfl asche. Aber so ein Bügelverschluss, der hat schon was.

Tipps.

 Noch einige Worte zur korrekten Anwendung, sowohl für Konsumenten als auch potenzielle Heimbrauer:  > Eine abgefüllte Flasche mit Bügelverschluss darf nie liegend gelagert werden.  > Die vollen Flaschen kühl lagern.  > Die Verschlüsse und die auf Flaschen montierten Verschlüsse nicht in der Sonne lagern.  > In Kartons verpackte Porzellanbügel nie höher als sechs Kartons aufeinander lagern.  > Bügelverschlüsse nicht länger als ein Jahr ohne Rücksprache mit dem Hersteller lagern.  > Bei Abfüllung unbedingt fünf Prozent Leerraum im Flaschenhals einhalten.  > Bügel: Nie in der Nähe einer Flaschenwaschmaschine lagern oder in Lauge waschen. (Lauge oxidiert verzinkten Draht)  > Bügelverschlüsse für Einwegflaschen nicht ein zweites Mal verwenden.