Vegane Weine: Nische oder Zeitgeist?

Ein Artikel von Birgit Kowarik | 26.05.2021 - 17:00
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Ein vegetarischer oder veganer Lifestyle liegt ganz im Trend. Die Zahl der Anhänger, die sich bewusst gegen tierische Produkte und Hilfsstoffe in der Nahrung entscheiden, ist seit Jahren im Steigen begriffen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass verschiedenste Medien vermehrt über vegane Weine berichten. Diese werden allerdings oft mit Bio-, biodynamischen sowie mit Natural- & Orangeweinen auf eine Ebene gestellt. Dem naturverbundenen Konsumenten sind dabei die Unterschiede nicht immer ganz bewusst, denn vegan bedeutet nicht automatisch Bio, da Bio-Weingüter häufig Kompost, der auch aus Kleinstlebewesen und tierischen Abfällen besteht, nutzen (siehe auch Verkostung „Orange Wine & Pet Nat“ ab Seite 118). Doch was genau zeichnet dann eigentlich vegane Weine aus? Die Lösung findet sich jedenfalls im Herstellungsprozess des Weins.

Hilfsstoffe im Wein

Zunächst eine Begriffsbestimmung: Die Angaben „veganer Wein“ oder „vegetarischer Wein“ sind an sich nicht zulässig. Korrekterweise müsste es „für Veganer geeignet“ oder „für Vegetarier geeignet“ heißen. Der Einfachheit und Lesbarkeit halber verwenden wir hier aber den Begriff „veganer Wein“.
Wein ist selbstverständlich zunächst einmal ein pflanzliches Produkt. So kommt naturgemäß die Frage auf, warum es überhaupt veganen Wein zu kaufen gibt. Die Antwort mag zunächst verwirrend klingen, allerdings kommen beim Verarbeitungsprozess von konventionell hergestellten Weinen oftmals tierische Produkte zum Einsatz. So nutzen Weinproduzenten zur Filtrierung, Klärung und Stabilisierung des Weins oft Schönungsmittel tierischen Ursprungs. Dabei handelt es sich um Hilfsstoffe, die nach ihrer Funktionserfüllung wieder entfernt werden und nicht im Endprodukt enthalten sind.

Verfahren tierischen Ursprungs

Bei konventionellen Herstellungsverfahren wird häufig Gelatine benutzt, um Trübstoffe aus dem Wein zu entfernen. Die genutzte Gelatine besteht meist aus tierischen Sehnen, Knochen, Schwarten oder Knorpeln. Kasein, ein aus Frisch­milch hergestelltes Eiweiß, sorgt dafür, dass sich Trübstoffe am Fassboden ablagern. Ähnlich wie Kasein wirkt die Hausenblase, die getrocknete Schwimmblase von Fischen, um Trübstoffe und gröbere Partikel im Wein zu binden. Lysozym wird aus Hühnereiweiß gewonnen und verhindert einen spontanen biologischen Säureabbau. Das aus Eidotter gewonnene Albumin verringert den Gerbstoffgehalt im Wein und macht ihn milder. Selbst der Leim, mit dem Etiketten angebracht werden, enthält oftmals Kasein und darf aus veganer Sicht streng genommen nicht verwendet werden. Das europäische Weingesetz hat seit dem 1. Juli 2012 Lysozym, Kasein und Albumin als kennzeichnungspflichtig eingestuft; allerdings erst ab einem Wert von 0,25 Milligramm pro Liter, da diese Stoffe Allergien auslösen können. Hausenblase und Fischgelatine müssen jedoch nicht auf dem Etikett deklariert werden. Zuletzt rückt auch die maschinelle Ernte in den Fokus von Veganern, da sich Insekten auf den Trauben verfangen können und eine Hand­ernte bei vegan zertifizierten Weinen nicht vorgeschrieben ist.

Pflanzliche und mechanische Alternativen

Bei veganen Weinen wird keines der oben genannten tierischen Verfahren eingesetzt. Stattdessen wird auf rein pflanzliche und mechanische Alternativen gesetzt, welche die gleichen Ergebnisse bei der Klärung und Filtration zeigen. So bindet ein aus Erbsen, Bohnen oder Kartoffelstärke gewonnenes pflanzliches Protein die Trübstoffe und macht den Wein klarer. Die gleiche Wirkung hat die natürliche Mineralerde Bentonit. Geruchsirritationen, Geschmacksfehler und Verfärbungen verhindert Aktivkohle auf pflanzlicher Basis. Als besonders schonend und qualitätsfördernd gilt die Sedimentation. Bei diesem Verfahren, das allerdings ziemlich zeitintensiv ist, bleibt veganer Wein so lange stehen, bis sich die Partikel von selbst abgesetzt haben. Die Alternative zu Kasein im Etikettenleim ist Leim auf Stärkebasis. Gegen das häufig genutzte Argument, dass Wein nur bedingt vegan erzeugt werden kann, weil sich Insekten auf den Trauben befinden können, schaffen optische Sortieranlagen Abhilfe.

Keine Unterschiede in der Flasche

Vegane Weine können auf alle Fälle mit konventionell hergestellten Weinen mithalten. Die alternativen Verfahren, die zu einem veganen Wein als Endprodukt führen, nehmen keinen Einfluss auf Qualität oder Geschmack. Daher sind vegane Weine qualitativ mit anderen Weinen vergleichbar. Die Produktion veganer Weine ist auch nicht kostspieliger als jene von konventionellen Weinen, auch müssen sie nicht unbedingt nach ökologischen Richtlinien erzeugt worden sein (siehe Tabelle unten). Dennoch produzieren viele Winzer ihre veganen Weine zusätzlich nach ökologischen Kriterien. Der Konsument kann anhand einer Zertifizierung erkennen, ob ein Wein vegetarisch oder vegan ist. So ist ein mit dem harmonisierten V-Label EU zertifizierter Wein frei von tierischen Inhalts- und Hilfsstoffen. Bei dieser Zertifizierung handelt es sich um eine eingetragene, geschützte Marke der European Vegetarian Union zur Kennzeichnung von vegetarischen und veganen Lebensmitteln.

Die GENUSS.Kostjury

Verkostungsleiterin: Mag. Birgit Kowarik, Weinakademikerin
Verkoster: Karin Vratny, Diplom Sommelière, Pepe Perez-Ubeda, Weinakademiker

GENUSS.Info: Wir baten ausgewählte österreichische Weingüter um vegan zertifizierte Weine. Die angeführten Zertifizierungen entsprechen den Angaben auf den eingereichten Flaschen.